Die Kleinbürger (German Edition)
Neuling in Liebesabenteuern war, als er sich zwischen die Furcht, eine köstliche Gelegenheit sich entschlüpfen zu lassen und die Angst, unter den Blumen, die sich ihm zu öffnen schienen, eine Schlange zu finden, gestellt sah. Eine zu deutlich betonte Zurückhaltung, ein zu heißes Bemühen – beides konnte die Eigenliebe der schönen Fremden verletzen und die Quelle versiegen lassen, aus der zu schöpfen ihn man anscheinend einlud; andererseits aber, wenn dieses scheinbare Interesse nur eine Falle war, wenn das ihm unerklärliche Wohlwollen, das ihm so plötzlich zugewendet wurde, nur das eine Ziel hatte, ihn zu einem falschen Schritte zu verleiten, aus dem man nachher eine Waffe schmieden konnte, um ihn bei Thuillier zu kompromittieren – was für ein Schlag war das für seinen Ruf als kluger Mann, und was für eine lächerliche Rolle mußte er spielen, wenn er, wie ein Hund, seine Beute um eines Schattens willen fahren ließ!
Man weiß bereits, daß la Peyrade ein wenig zur Schule Tartüffs gehörte, und die Freimütigkeit, mit der sein Meister Elmire erklärt, daß er ohne einige Gunstbeweise, wonach er seufzte, nicht an ihr zärtliches Entgegenkommen glauben könne, schien dem Advokaten, wenn auch in etwas mehr verhüllter Form, im vorliegenden Falle angemessen zu sein.
»Frau Gräfin,« sagte er daher, »Sie machen mich zu einem sehr beklagenswerten Manne; ich wollte frohen Herzens diese Ehe eingehen, und nun nehmen Sie mir alles Vertrauen dazu; und wenn ich nun meine Pläne aufgebe, was für Aussichten eröffnen sich mir bei meinen großen Fähigkeiten, die Sie mir zuschreiben, wenn ich meine Freiheit wiedererlangt habe?«
»La Bruyère hat, wenn ich nicht irre, gesagt, daß nichts den Menschen so frisch macht, als wenn er sieht, daß er es vermieden hat, eine Dummheit zu begehen.«
»Zugegeben; aber das ist eine negative Wohltat, und ich bin in einem Alter und einer Vermögenslage, daß ich nur mit sicheren Resultaten rechnen darf. Das Interesse, das Sie so gütig sind, mir zu erzeigen, darf nicht dabei stehenbleiben, mit mir tabula rasa zu machen. Es ist wahr, meine Liebe zu Fräulein Colleville hat nichts Stürmisches und nichts Zwingendes, aber schließlich habe ich sie gern, ihre Hand ist mir zugesagt, und bevor ich auf sie verzichte ...«
»Also,« sagte die Gräfin lebhaft, »gegebenenfalls würden Sie nichts gegen einen Bruch haben, und«, fügte sie noch eindringlicher hinzu, »es wäre vielleicht möglich, Sie davon zu überzeugen, daß Sie, wenn Sie sich so bei der ersten Gelegenheit binden, Ihre Zukunft aufs Spiel setzen, wo sich Ihnen andere Partien bieten können?«
»Wenigstens, gnädige Frau, müßte man sie aber ahnen und voraussehen können.«
Diese Hartnäckigkeit, Garantien zu verlangen, schien die Gräfin zu verstimmen.
»Der Glaube, mein Herr,« sagte sie, »ist nur dann eine Tugend, wenn man aufs Wort glaubt. Sie sind mit sich selbst im Unreinen, das ist eine andere Art von Unbehilflichkeit. Ich habe kein Glück mit meinen Schützlingen.«
»Aber ist es denn so indiskret, gnädige Frau, wenn man darauf dringt, wenigstens ungefähr zu wissen, woran Ihre Güte für mich denkt?«
»Sehr indiskret,« antwortete die Ungarin kühl, »denn ich sehe wohl, daß Sie mir nur bedingt folgen wollen. Also reden wir nicht mehr davon. Ihre Sache mit Fräulein Colleville ist schon sehr weit gediehen, sie erscheint Ihnen in vieler Hinsicht passend, also heiraten Sie sie; noch ein Schritt, und Sie werden mir nicht mehr auf Ihrem Wege begegnen.«
»Aber ist Fräulein Colleville wirklich für mich passend?« begann la Peyrade wieder; »gerade über diesen Punkt haben Sie eben Zweifel in mir entstehen lassen! Und finden Sie es nicht ein wenig grausam, daß Sie mir nacheinander zwei entgegengesetzte Versicherungen geben, ohne irgendeinen Beweisgrund?«
»Ah,« sagte die Gräfin in ungeduldigem Tone, »Sie wünschen Beweisgründe für meine Ansicht! Nun, mein Herr, ich kann Ihnen einen sehr bündigen nennen: Celeste liebt Sie nicht.«
»Ich glaube in der Tat,« sagte la Peyrade bescheiden, »daß ich eher im Begriffe bin, eine Vernunftheirat zu machen.«
»Und sie kann Sie auch nicht lieben,« fuhr die Gräfin lebhafter fort, »weil sie Sie nicht verstehen kann. Der richtige Mann für sie, das ist der kleine blonde, ängstliche junge Mensch, der ebenso fade wie sie ist. Bei dem Zusammenleben dieser beiden Wesen ohne Lebendigkeit und ohne Glut wird jene Lauheit zu zweien entstehen, die nach der
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