Die Kleinbürger (German Edition)
und Herr Phellion sind ja schon zwei.«
»Mein schönes Kind,« sagte die Gräfin, »Sie sind eine kleine Neugierde, aber Sie werden mich nicht dazu bringen, zu sagen, was ich nicht sagen will, besonders nach meinem Bekenntnis über den Pater Anselm, denn Ihre Gedanken würden mit Ihnen durchgehen.«
Das war schon der Fall, und jedes Wort der Gräfin schien die Angst des jungen Mädchens zu steigern.
»Ich würde mich nicht wundern,« sagte la Peyrade ironisch, »wenn der Mitarbeiter des Paters Anselm gerade Herr Felix Phellion wäre; Voltaire hat immer in guten Beziehungen zu den Jesuiten gestanden, von denen er erzogen war; nur unterhielt er sich mit ihnen nicht über Religion.«
»Nun, mein junger Gelehrter unterhält sich mit seinem Fachgenossen darüber, er unterbreitet ihm seine Zweifel, und das war gerade der Anlaß zu ihren wissenschaftlichen Beziehungen.«
»Und hofft der Pater Anselm,« fragte Celeste, »den jungen Mann zu bekehren?«
»Er ist dessen sicher,« antwortete die Gräfin; »sein junger Mitarbeiter ist, abgesehen von der Unterweisung in der Religion, die ihm gefehlt hat, nach den edelsten Grundsätzen erzogen worden; er weiß außerdem, daß seine Rückkehr zum Glauben ein reizendes junges Mädchen, das er liebt und von dem er wiedergeliebt wird, glücklich machen würde. Nun aber, mein liebes Kind, werden Sie nichts weiter aus mir herausbekommen, denken Sie sich alles, was Ihnen beliebt.«
»Oh, liebe Patin!« sagte Celeste, indem sie ganz offen ihrem Gefühl nachgab, »wenn er es wäre!« Und sie warf sich weinend in Frau Thuilliers Arme.
In diesem Augenblick öffnete der Diener die Tür und meldete, ein eigentümliches Zusammentreffen, Herrn Felix Phellion an.
Der junge Professor trat herein, ganz mit Schweiß bedeckt, die Krawatte in Unordnung und völlig atemlos.
»Eine sehr geeignete Zeit,« sagte Phellion streng, »um noch zu erscheinen!«
»Lieber Vater,« sagte Felix, während er seine Schritte nach der Ecke hinlenkte, wo Frau Thuillier und Celeste saßen, »ich konnte vor dem Ende des Phänomens nicht fortgehen, ich fand keinen Wagen und bin den ganzen Weg gelaufen.«
»Die Ohren müssen Ihnen unterwegs geklungen haben,« sagte la Peyrade spöttisch, »denn seit einiger Zeit haben sich die Damen hier mit Ihnen beschäftigt und standen in bezug auf Sie vor einem großen Rätsel.«
Felix antwortete nicht; er sah Brigitte aus dem Speisezimmer hereinkommen, wo sie angeordnet hatte, daß nichts mehr herumgereicht werden solle; er eilte zu ihr, um sie zu begrüßen.
Nachdem er einige Vorwürfe über die Seltenheit seiner Besuche hatte mitanhören müssen und mit einem sehr freundlichen »Besser spät als gar nicht« Verzeihung erhalten hatte, wandte er sich wieder seinem Anziehungspol zu und war sehr erstaunt, Frau von Godollo sagen zu hören:
»Sie werden mir eine Indiskretion verzeihen, mein Herr, die ich in bezug auf Sie im Drange der Unterhaltung begangen habe: ich habe, trotz Ihres ausdrücklichen Verbotes, den Damen mitgeteilt, wo ich Sie heute morgen getroffen habe.«
»Wo ich die Ehre hatte, Ihnen zu begegnen,« sagte Felix; »aber ich habe Sie, gnädige Frau, jedenfalls nicht gesehen.«
Über la Peyrades Lippe huschte ein unmerkliches Lächeln.
»Sie haben mich recht gut gesehen, da Sie ja von mir unbedingtestes Schweigen verlangt haben. Aber im übrigen habe ich über Sie nur die Wahrheit gesagt; ich habe erklärt, daß Sie zuweilen den Pater Anselm besuchen und daß Sie bisher zwar nur wissenschaftliche Beziehungen mit ihm verbanden, daß Sie aber Ihre religiösen Bedenken ihm gegenüber ebensosehr wie gegen Celeste geltend machten.«
»Gegen den Pater Anselm? ...« sagte Phellion ohne etwas zu begreifen.
»Aber gewiß!« bemerkte la Peyrade, »den großen Mathematiker, der sich der Hoffnung hingibt, Sie zu bekehren; Fräulein Celeste hat vor Freude darüber geweint.«
Felix sah verblüfft um sich. Frau von Godollo warf ihm einen Blick zu, dessen Bedeutung ein Pudel verstanden hätte.
»Ich würde gern etwas getan haben,« sagte er schließlich, »was Fräulein Celeste angenehm ist, aber ich glaube, gnädige Frau, Sie befinden sich hier in einem Irrtum.«
»Hören Sie mich an, mein Herr, ich will die Sache genau feststellen, und wenn eine falsche Scham Sie veranlassen sollte, einen Schritt, den man doch anstandslos eingestehen kann, trotzdem abzuleugnen, dann strafen Sie mich Lügen; ich muß dann die Strafe für meine Leichtfertigkeit auf mich nehmen, daß
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