Die Kleinbürger (German Edition)
würdest.«
»Nein,« antwortete die unversöhnliche Brigitte, »aber wir trennen uns ja jetzt. Nun, und wenn man sich trennt, dann bringt man seine Rechnung in Ordnung. Zehntausend Franken! Ich finde das schon etwas hoch für ein Kreuz, das man bekommen hat; aber für ein an die Wand gemaltes, da wird mir der Herr doch zugeben, daß es übermäßig bezahlt ist.«
»La Peyrade, lieber Freund,« sagte Thuillier und ging auf den Advokaten zu, der bleich vor Wut geworden war, »höre nicht auf Brigitte, ihre Liebe zu mir macht sie verrückt; ich weiß ja recht gut, wie es in den Bureaus zugeht, und ich würde mich nicht gewundert haben, wenn du aus deiner Tasche noch etwas dazugegeben hättest.«
»Mein Herr,« erwiderte la Peyrade, »ich bin leider nicht imstande, Ihnen gleich nach meiner Heimkehr die Summe wieder zuzustellen, über die man in so brutaler, beleidigender Form von mir Rechenschaft verlangt hat. Aber gewähren Sie mir einige Frist, und wenn Sie, um sich besser gedulden zu können, von mir einen Wechsel nehmen wollen, so bin ich bereit, ihn auszustellen.«
»Geh' zum Teufel mit deinem Wechsel!« erklärte Thuillier; »du bist mir nichts schuldig, sondern wir sind deine Schuldner; Cardot hat mir gesagt, daß du bei der großartigen Erwerbung, die wir dir verdanken, auf deinen Teil mindestens zehntausend Franken zu beanspruchen hättest.«
»Cardot, Cardot!« sagte Brigitte, »der ist sehr nobel mit anderer Leute Geld! Wenn man ihm Celeste gab, so war das doch viel mehr wert, als zehntausend Franken.«
La Peyrade war ein viel zu guter Schauspieler, als daß er die Demütigung, die er hatte erdulden müssen, nicht zu einem effektvollen Abgang benutzt hätte. Daher sagte er mit tränenerstickter Stimme und indem ihm auch bald das Wasser in die Augen stieg:
»Mein Fräulein, als ich die Ehre hatte, bei Ihnen aufgenommen zu werden, war ich arm, und lange Zeit hindurch haben Sie mich leidend und elend sehen können, weil ich wußte, wie die Armut Einen jeder Unwürdigkeit preisgibt. Seit dem Tage, wo ich Ihnen den Reichtum verschafft habe, den ich nicht für mich erstrebte, habe ich ein wenig mehr Sicherheit erlangt, und Ihre Güte hat mich ermutigt, mich aus meiner Schüchternheit und unwürdigen Stellung etwas emporzuarbeiten. Wenn ich heute Ihnen eine loyale Erklärung abgebe, die Sie von einer großen Sorge befreit – denn wenn Sie ehrlich sein wollen, so werden Sie mir zugeben, daß Sie sich einen andern Gatten für Celeste gewünscht haben –, so hätten wir auf einem Plan, den weiter zu verfolgen mir mein Zartgefühl verbietet, verzichten und trotzdem Freunde bleiben können. Dazu hätte genügt, daß Sie sich innerhalb der Grenzen der Höflichkeit gehalten hätten, für die Sie ja ständig ein Muster neben sich haben, denn wenn auch Frau von Godollo mir nicht wohlgesinnt ist, so bin ich doch überzeugt, daß ihre gute Erziehung ihr nicht erlaubt hätte, Ihr gehässiges Vorgehen zu billigen. Aber ich besitze, Gott sei Dank, noch etwas religiöses Empfinden; das Evangelium ist für mich kein toter Buchstabe, und deshalb, verstehen Sie mich wohl, mein Fräulein, will ich Ihnen verzeihen! Und nicht Thuillier, der sie nicht annehmen würde, sondern Ihnen will ich, als meine einzige Rache, in nächster Zeit die zehntausend Franken wieder zustellen, die ich nach Ihrer Ansicht für mich verwendet habe. Wenn Sie sie in Händen haben werden, und wenn Sie, nachdem Sie die Ungerechtigkeit Ihres Verdachtes erkannt haben, einige Gewissensbisse empfinden sollten, können Sie sie ja der Armenverwaltung ...«
»Der Armenverwaltung?« unterbrach ihn Brigitte, »ich danke bestens! daß sie an einen Haufen von Nichtstuern und Scheinheiligen verteilt werden, damit sie erst zum Abendmahl gehen und sie dann verfressen. Ich bin auch arm gewesen, mein Junge, und ich habe lange genug Säcke genäht, damit die andern ihr Geld hineinsteckten, ehe ich meines hineintun konnte; jetzt habe ich welches und halte es fest, und ich bin bereit, es zu nehmen, sobald es Ihnen beliebt; um so schlimmer für Sie, wenn Sie Geschäfte, die Sie übernommen haben, nicht ausführen können und unnötig Geld verpulvern.«
Da er merkte, daß er seinen beabsichtigten Eindruck verfehlt hatte und die granitene Brigitte nicht zu erschüttern vermochte, warf ihr la Peyrade einen Blick voll Verachtung zu und entfernte sich mit majestätischen Schritten.
Er hatte wohl eine Bewegung Thuilliers, der ihn zurückhalten wollte, bemerkt, aber ein
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