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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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befehlender Wink Brigittes, die immer die regierende Königin blieb, hielt ihren Bruder auf seinem Platze festgebannt.
    Nach Hause gekommen, schrieb der Advokat, um sich vollständig loszulösen, an Frau Colleville, daß er, nachdem die Heirat mit Celeste nicht mehr in Frage käme, aus Gründen der Schicklichkeit und des Zartgefühls, genötigt sei, sich bei ihnen nicht mehr sehen zu lassen.
    Am nächsten Morgen aber ging Colleville, bevor er sich in sein Bureau begab, zu la Peyrade hinauf und fragte ihn, was das für »Dummheiten« seien, die er an Flavia geschrieben und die sie in Verzweiflung versetzt hätten.
    Der Advokat wiederholte ihm in ernster Weise noch einmal den Inhalt der wenig freundschaftlichen Epistel, die er an seine Frau gerichtet hatte.
    »Und das nennst du ein Freund sein?« sagte Colleville, der sich seit langem, wie man sich erinnern wird, mit dem Provenzalen duzte. »Du willst sie nicht heiraten: ist das ein Grund, mit den Eltern des Mädchens böse zu werden? Es sieht ja so aus, als ob du uns für die Worte, die zwischen dir und den Thuilliers gefallen sind, verantwortlich machen wolltest. Geht das uns etwas an? Ist meine Frau nicht immer reizend zu dir gewesen?«
    »Ich kann nur rühmen,« entgegnete la Peyrade, »welche Güte mir Frau Colleville erwiesen hat.«
    »Und da willst du, daß sie vor Kummer sterben soll? Seit gestern hat sie das Taschentuch nicht aus der Hand gelegt: ich sage dir, sie wird mir noch krank werden.«
    »Hören Sie, mein lieber Colleville,« antwortete la Peyrade, »ich bin Ihnen die Wahrheit schuldig, und Sie sind auch wert, sie zu hören: ich kann doch jetzt nicht mit Fräulein Celeste zusammentreffen ...«
    »Nun, du sollst auch nicht mit ihr zusammentreffen«, unterbrach ihn der gute Colleville; »wenn du kommst, dann wird die Kleine eben in ihr Zimmer gehen; übrigens wird sie ja bald verheiratet sein.«
    »Gut; aber ich muß hinzufügen, daß meine häufigen Besuche bei euch zu Verleumdungen Anlaß gegeben und daß boshafte Gerüchte sich verbreitet haben. Ich habe den Wunsch und die Pflicht, dafür zu sorgen, daß sie aufhören.«
    »Was?« rief der Ehemann aus, »ein geistvoller Mann wie du wird sich um solche Hirngespinste kümmern? Du willst die bösen Zungen zum Schweigen bringen? Aber man redet ja seit fünfundzwanzig Jahren über meine Frau, weil sie aus etwas feinerem Holz geschnitzt ist als Brigitte und Frau Thuillier. Da bin ich doch viel klüger als du; all dieses Geschwätz hat uns nicht eine Viertelstunde häuslichen Streites verursacht.«
    »Nun,« sagte la Peyrade, »wenn das euch auch ehrt, weil ein sehr aufrechter Sinn dazu gehört, so meine ich doch, daß eine solche Mißachtung der öffentlichen Meinung unvorsichtig ist.«
    »Ach, was!« sagte Colleville, »ich spucke auf die öffentliche Meinung; eine nette Hure! Minard verbreitet diese Gerüchte, weil sich niemals ein anständiger Mensch um seine dicke Köchin von Frau gekümmert hat. Er würde besser tun, der Herr Bürgermeister, wenn er mehr auf seinen Sohn aufpassen wollte, der sich von einer früheren Schauspielerin bei Bobino ruinieren läßt.«
    »Also, mein Teuerster,« sagte la Peyrade, »versuche, Flavia zur Vernunft zu bringen.«
    »Na, Gott sei Dank!« sagte Colleville und drückte dem Advokaten kräftig die Hand, »du nennst sie wieder Flavia, wie früher, damit habe ich meinen Freund wieder.«
    »Gewiß,« antwortete la Peyrade, etwas kühler, »Freunde bleiben immer Freunde.«
    »Jawohl, Freunde bleiben Freunde«, wiederholte Colleville; »die Freundschaft ist ein Göttergeschenk, das uns über allen Jammer des Lebens tröstet! Also abgemacht, du kommst wieder zu meiner Frau und bringst in mein unglückliches Haus wieder die Ruhe und die Heiterkeit zurück.«
    La Peyrade gab ihm ein Versprechen, das die Sache etwas im Ungewissen ließ; als er den unbequemen Besuch los war, fragte er sich, ob dieses Verhalten des Ehemanns, das viel häufiger, als man denkt, zu finden ist, echt oder nur gespielt war.
     
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    Während la Peyrade sich anschickte, der Gräfin die Nachricht von seiner in so brüsker Weise wiedergewonnenen Freiheit huldigend zu Füßen zu legen, erhielt er ein duftendes Billet, das ihm Herzklopfen verursachte, denn er hatte auf dem Siegel das berühmte »Alles oder nichts« erkannt, das ihm als Richtlinie für die Beziehungen, die sich ihm eröffneten, gegeben worden war.
    »Mein lieber Herr,« schrieb ihm Frau von Godollo, »ich weiß von Ihrer Entscheidung und

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