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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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der sich davon überzeugen wollte.
    »Frau Lambert,« wiederholte er, »der Herr Gerichtsvollzieher ist zurück, wenn Sie ihn sprechen wollen? ...«
    Es war la Peyrade unmöglich, diese Besprechung zu verhindern, bei der, wie ihm klar war, das Geheimnis seiner Anleihe in die größte Gefahr geraten konnte.
    »Ich habe entschieden kein Glück«, sagte er sich, als er wegging. »Ich weiß nicht, wie das noch enden wird.«
    Brigitte besaß eine so ausgesprochene Herrschsucht, daß sie ohne Bedauern und, man kann sagen, mit einer gewissen heimlichen Freude das Verschwinden der Frau von Godollo mit ansah.
    Sie empfand, daß diese Frau eine bedrückende Überlegenheit besaß, die, wenn auch ihr Haus vortrefflich in Ordnung gebracht war, ihr Unbehagen verursachte; und als die Trennung erfolgte, die sich übrigens in bester Form und unter einem annehmbaren triftigen Vorwand vollzog, atmete »Miß« Thuillier auf. Sie machte es wie die Könige, die lange Zeit hindurch von einem herrschsüchtigen und schwer zu entbehrenden Minister beherrscht werden und den Tag segnen, wo der Tod sie von einem Herrn befreit, dessen Dienste und rivalisierenden Einfluß sie nur ungeduldig ertragen haben.
    Auch Thuillier war nahe daran, la Peyrade gegenüber ähnlich zu empfinden. Aber bei Frau von Godollo handelte es sich nur um die äußere Vornehmheit, während bei dem Advokaten die Nützlichkeit für das Haus, das die beiden fast gleichzeitig verlassen hatten, in Frage kam; und schon nach wenigen Tagen machte sich, um in der Sprache der Prospekte zu reden, ein zwingendes Bedürfnis nach dem Provenzalen in politischer und literarischer Beziehung bei »Freundchen« fühlbar.
    Der Munizipalrat war plötzlich mit einem wichtigen Bericht betraut worden. Er hatte diesen Auftrag nicht ablehnen können, den ihm sein Ruf als literarisch gebildeter Mann und als gewandter Schriftsteller infolge der Publikation seiner Broschüre eingetragen hatte; und nun ließ ihn die gefährliche Ehrung, die ihm seine Kollegen im Generalrat erwiesen hatten, entsetzt seine Vereinsamung und Unzulänglichkeit empfinden.
    Es half ihm nichts, daß er sich in sein Arbeitszimmer einschloß, unzählige Tassen schwarzen Kaffee trank, seine Federn schnitt, zwanzigmal auf das Papier, das er genau in der Größe, wie er es bei la Peyrade gesehen hatte, zurecht schnitt, die Überschrift: »Bericht an die Herren Mitglieder des Munizipalrats der Stadt Paris«, und darunter ein herrliches »Meine Herren« setzte, daß er wütend sein Arbeitszimmer verließ und sich über den fürchterlichen Lärm beklagte, der ihm den »Faden seiner Gedanken zerriß«, wenn im Hause nur eine Tür geschlossen, ein Schrank geöffnet oder ein Stuhl gerückt wurde, – alles dies bewirkte nicht, daß die Arbeit fortschritt oder daß sie auch nur begonnen wurde.
    Glücklicherweise traf es sich, daß Rabourdin etwas in der Verteilung seiner Zimmer ändern wollte und wie gerufen erschien, um seine Wünsche dem Hauseigentümer zu unterbreiten. Thuillier bewilligte auf das Entgegenkommendste alles, was verlangt wurde, sprach dann mit seinem Mieter über den Bericht, mit dem er beauftragt war, und sagte, er würde glücklich sein, dessen Ansichten über diese Materie kennenzulernen.
    Rabourdin, dem keine die Verwaltung betreffende Frage fremd war, beeilte sich, über das Thema, das ihm unterbreitet wurde, eine große Anzahl klarer, treffender Bemerkungen zu machen. Er gehörte zu den Menschen, denen es gleichgültig ist, wie die geistige Beschaffenheit der Leute, vor denen sie sprechen, sein mag: der Dumme wie der geistvolle Mann dient ihnen, wenn er ihnen zuhört, nur dazu, laut zu denken, und regt sie in fast gleicher Weise an. Als er zu Ende war, hatte Rabourdin wohl gemerkt, daß Thuillier ihn nicht verstanden hatte, aber er empfand doch das Vergnügen, daß man ihm zugehört hatte; zudem war er dankbar für die, wenn auch stumpfsinnige Aufmerksamkeit seines Zuhörers und für die Bereitwilligkeit seines Hauswirts, seine Wünsche zu erfüllen.
    »Übrigens«, sagte er beim Fortgehen, »muß ich unter meinen Papieren noch etwas über das Thema, das Sie beschäftigt, haben; ich werde nachsehen und es Ihnen schicken.«
    Und in der Tat ließ er noch an demselben Abend Thuillier ein umfangreiches Manuskript zustellen. Dieser verbrachte die Nacht damit, in der kostbaren Gedankensammlung zu schöpfen, und entnahm daraus noch mehr, als für eine bemerkenswerte Arbeit nötig war, selbst wenn er von seinem Raube

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