Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
hin! Ansehen kostet ja nichts, wie man sagt.«
    »Ja,« sagte la Peyrade, »es ist möglich, daß ich hingehe, aber vorher wünsche ich, daß du dich informierst, wie es sich mit dieser Gräfin von Godollo verhält.«
    »Aber was geht dich denn die Gräfin an? Die spielt ja bei der Sache nur eine Statistenrolle.«
    »Nun, ich habe meine Gründe dafür«, bemerkte der Advokat. »In zwei bis drei Tagen mußt du wissen, was du von ihr zu halten hast, ich komme dann wieder zu dir.«
    »Weißt du, mein Bester,« sagte Cérizet, »du kommst mir vor, wie einer, der sich vor der Tür mit Kleinigkeiten aufhält. Sollten wir vielleicht in die Kupplerin verliebt sein?«
    ›Die Pest über den Kerl!‹ dachte der Advokat bei sich; ›alles bekommt er heraus, nichts kann man vor ihm verbergen.‹ – »Nein,« fuhr er laut fort, »ich bin nicht verliebt, im Gegenteil, ich sehe mich vor. Ich muß dir gestehen, daß ich an diese Heirat mit der Verrückten nur sehr gezwungen herangehe, und bevor ich mich darauf einlasse, will ich ein wenig Bescheid wissen, auf welches Terrain ich mich begebe. Die hinterlistige Art und Weise, mit der man dabei vorgeht, ist nicht gerade sehr beruhigend für mich, und da man in so vielfacher Manier auf mich einwirkt, gehört es sich, daß ich den einen durch den andern kontrollieren lasse. Also versuche nicht, mich zu beschwindeln, und bring mir über die Frau Gräfin von Godollo keine Auskünfte, die du dir aus den Fingern gesogen hast und die so wie ein Signalement im Passe lauten: rundes Kinn, ovales Gesicht; was man allgemeine Redensarten nennt. Ich mache dich darauf aufmerksam, daß ich in der Lage bin, die Zuverlässigkeit deines Berichts nachzuprüfen, und wenn du mich betrügen willst, so breche ich glatt mit deinem du Portail.«
    »Wie könnte ich Sie betrügen wollen, mein hoher Herr!« antwortete Cérizet und ahmte Frédérick Lemaîtres Stimme und Sprechweise nach, »wer würde es wagen, sich an Ihnen zu reiben? ...«
    Als er diesen etwas spöttischen Satz aussprach, erschien Dutocq, der mit seinem kleinen Schreiber zurückkam. Er hatte außerhalb ein Protokoll aufgenommen.
    »Sieh mal an!« sagte der Gerichtsvollzieher, als er la Peyrade und Cérizet beisammen erblickte, »da ist ja die ›Trinität‹ wieder hergestellt; aber der Anlaß zu der Allianz, der casus foederis, ist davongeschwommen. Was haben Sie dieser guten Brigitte denn getan, mein lieber la Peyrade? Sie möchte Sie am liebsten umbringen.«
    »Und Thuillier?« fragte der Advokat.
    Die Szene aus Molière spielte sich im umgekehrten Sinne ab, Tartüffe erkundigte sich nach Orgon.
    »Thuillier war Ihnen anfangs nicht so feindlich gesinnt; aber es scheint, daß die Sache mit der Beschlagnahme eine günstige Wendung nimmt. Und da er Sie nun weniger nötig hat, läßt er sich mehr auf die Seite seiner Schwester ziehen, und ich zweifle nicht, daß im weiteren Verlaufe, wenn in einigen Tagen das Ministerium erklärt, daß die Verfolgung einzustellen ist, Sie auch für ihn ein Mann sein werden, der gehenkt zu werden verdiente.«
    »Jedenfalls bin ich aus der Geschichte heraus,« sagte la Peyrade, »und so etwas wird mir nicht zum zweiten Mal passieren! ... Adieu, meine Lieben. Und du, Cérizet, in bezug auf das, was ich dir gesagt habe: Eifer, Zuverlässigkeit und Diskretion!«
    Als la Peyrade sich auf dem Hofe des Amtsgebäudes befand, wurde er von Frau Lambert angesprochen, die auf ihn gewartet hatte.
    »Der Herr«, sagte die Frömmlerin zerknirscht, »wird doch gewiß nichts von all den häßlichen Sachen glauben, die Herr Cérizet gesagt hat, und der Herr weiß doch genau, daß ich Geld nur aus der Erbschaft meines Onkels aus England habe?«
    »Gewiß,« sagte la Peyrade, »aber Sie werden begreifen, daß bei all den Gerüchten, die die Verwandten Ihres Herrn über Sie verbreiten, der Tugendpreis bedenklich in Frage gestellt ist.«
    »Wenn es Gottes Wille nicht ist, daß ich ihn bekomme ...«
    »Sie müssen auch einsehen, wie wichtig es für Sie ist, den Dienst, den ich Ihnen geleistet habe, geheim zu halten. Bei der geringsten Spur einer Indiskretion würde Ihnen, wie ich gesagt habe, die Summe unweigerlich zurückgegeben werden.«
    »Oh, der Herr kann ganz beruhigt sein!«
    »Also dann adieu, meine Gute,« sagte la Peyrade im Beschützertone.
    Als er sich von ihr trennte, rief eine näselnde Stimme aus dem Treppenfenster:
    »Frau Lambert?«
    Es war Cérizet, der sich gedacht hatte, daß die beiden miteinander reden würden, und

Weitere Kostenlose Bücher