Die Kleinbürger (German Edition)
Situation als verschuldeter Mann in jedem Augenblick bekannt werden und den Wahlkandidaten, der sich unter seinen Schutz gestellt hat, in die denkbar schlimmste Lage bringen kann.«
»Das ist alles nicht übel,« sagte du Portail, »aber man kann von dieser Entdeckung noch einen viel überzeugenderen und durchschlagenderen Gebrauch machen.«
»Reden Sie, mein Herr und Meister,« sagte Cérizet, »ich höre.«
»Ist Thuillier nicht noch im unklaren darüber,« sagte du Portail, »wie er sich die Beschlagnahme seiner berühmten Broschüre erklären soll?«
»In der Tat,« antwortete der Wucherer; »gerade gestern hat la Peyrade mit mir davon gesprochen, um mir zu beweisen, wie weit die Einfältigkeit Thuilliers geht, den er auf die albernste Vorspiegelung hat hineinfallen lassen. Der ehrenwerte Bourgeois ist überzeugt, daß die Beschlagnahme von Olivier Vinet, dem Gehilfen des Generalstaatsanwalts, veranlaßt worden ist. Dieser junge Beamte hat sich nämlich einmal um Fräulein Colleville beworben, und der brave Thuillier glaubt, die strengen Maßnahmen der Staatsanwaltschaft rührten daher, daß sich eins ihrer Mitglieder für den Refus, den es erhalten hat, rächen wollte.«
»Vortrefflich!« sagte du Portail; »morgen wird Thuillier als Vorbereitung für eine andere Lesart, die Sie vorbringen sollen, von Herrn Vinet einen sehr energischen und sehr scharfen Protest gegen die Beschuldigung des Amtsmißbrauchs erhalten, den er in so törichter Weise für glaubhaft gehalten hat.«
»Ja?« bemerkte Cérizet neugierig.
»Es muß also eine andere Erklärung gesucht werden,« fuhr du Portail fort, »und Sie werden Thuillier die Versicherung geben, daß er das Opfer einer abscheulichen Machenschaft der Polizei geworden ist. Sie wissen doch, daß die Polizei zu nichts anderem als zu solchen Machenschaften da ist.«
»Natürlich,« sagte der Wucherer; »zwanzigmal habe ich eine solche Erklärung mit meinem Namen versehen, als ich bei republikanischen Zeitungen tätig war, und als ...«
»Sie noch der ›tapfere‹ Cérizet waren«, unterbrach ihn du Portail. »Jetzt liegt also folgende Machenschaft der Polizei vor: die Regierung war sehr ärgerlich darüber, daß Thuillier ohne ihre Mitwirkung in den Generalrat des Seinedepartements gewählt wurde; sie trug es einem unabhängigen, patriotischen Bürger nach, daß er sich bei seiner Kandidatur so ungeniert ohne sie beholfen hatte; sie wußte außerdem, daß der große Mitbürger eine Broschüre über die stets kitzliche Frage der Finanzen vorbereite, auf welchem Gebiet dieser gefährliche Gegner eine umfassende Erfahrung besaß. Was tat nun die durch und durch verdorbene Regierung? Sie gewann einen Mann, der, wie sie erfahren hatte, Thuilliers Berater war, und für eine Summe von fünfundzwanzigtausend Franken, was für die Polizei eine Bagatelle bedeutet, hat dieser perfide Ratgeber, ohne daß man etwas merkte, sich verpflichtet, in die Broschüre einige Sätze einzuflechten, die ihren Verfasser direkt vor die Geschworenen bringen konnten. Wird diese Erklärung nun noch irgendeinen Zweifel bei Thuillier übrig lassen, wenn er gleichzeitig erfährt, daß la Peyrade, der seines Wissens nicht einen lebendigen Heller besaß, Dutocq genau diesen selben Betrag von fünfundzwanzigtausend Franken bar auf den Tisch bezahlt hat?«
»Teufel nochmal!«, bemerkte Cérizet, »das ist nicht schlecht ausgedacht. Leute von der Art Thuilliers glauben alles, was man ihnen über die Polizei vorerzählt.«
»Sie werden dann sehen,« fuhr du Portail fort, »ob Thuillier noch Lust haben wird, einen solchen Mitarbeiter neben sich zu dulden, und ob er weiter den Wunsch haben wird, ihm sein Patenkind zur Frau zu geben.«
»Sie sind ein sehr kluger Herr,« stimmte Cérizet von neuem bei; »aber ich muß Ihnen gestehen, daß ich wegen der Rolle, die ich dabei spielen soll, Bedenken habe. La Peyrade hat mir den Redakteurposten bei der Zeitung angeboten, und ich soll nun daran arbeiten, ihn zu verdrängen ...«
»Und die Hausmiete, um die er Sie trotz seiner feierlichen Versprechungen gebracht hat, haben Sie das schon vergessen?« antwortete der Rentier. »Und wollen wir im übrigen nicht das Glück dieses Starrkopfs, der sich hartnäckig gegen die wohlwollendsten Absichten sträubt?«
»In der Tat,« sagte Cérizet, »das erstrebte Ziel wird mich schließlich rechtfertigen, ich werde also den Weg, den Sie so fein ausgedacht haben, entschlossen verfolgen. Aber mir fällt eins ein: ich kann
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