Die Kleinbürger (German Edition)
wäre, und nötigen Falls würde er den Verdacht auf Dutocq lenken. Cérizet ließ den Pfeil in der Wunde stecken und entfernte sich, um einige erforderliche Dispositionen bezüglich der definitiven Regelung der Kautionsangelegenheit zu treffen.
Die Szene hatte sich im Bureau der Zeitung abgespielt. Seit ihrem Ankauf erschien Thuillier hier stets zwei Stunden früher als nötig war, verbrachte den ganzen Tag daselbst und ermüdete alle Leute mit seinem geschäftigen Nichtstun; Abends kam er wieder hin und hätte beinahe dort geschlafen; und in den kurzen Augenblicken, wo er sich bei den Seinigen sehen ließ, beklagte er sich über die Menge seiner mannigfachen Beschäftigungen und jammerte so, daß man fürchten mußte, er würde unter der Last erliegen und schließlich seine Gesundheit aufs Spiel setzen.
Gemartert von der fürchterlichen Enthüllung, vermochte Thuillier nicht, noch länger dazubleiben; er fühlte das Bedürfnis, sein Herz auszuschütten und sich über die Haltung auszusprechen, die ihm durch eine so teuflische Aufklärung vorgeschrieben wurde. Er ließ sich also einen Wagen holen und eine Viertelstunde später hatte er alles seiner Egeria, das heißt Brigitte, seiner vielgeliebten Schwester, anvertraut.
Brigitte hatte sich sehr energisch gegen alle Maßnahmen ausgesprochen, die Thuillier in diesen letzten Tagen getroffen hatte. Auf keinen Fall, selbst nicht im Interesse der Wahl, wollte sie, daß man mit la Peyrade wieder anknüpfe. Sie fühlte sich ihm gegenüber im Unrecht: Grund genug, ihm böse zu sein. Dazu kam, falls dieser Intrigant, wie sie ihn nannte, Celeste heiraten würde, die Besorgnis, daß ihre Autorität dabei leiden könnte, und diese Angst verlieh ihr eine Art zweiten Gesichts, das sie die dunklen Charakterseiten des Provenzalen erkennen und sie schließlich erklären ließ, daß sie in keinem Fall und um keinen Preis gemeinsame Wirtschaft mit ihm führen würde.
Von dem Ehrgeiz, gewählt zu werden, verzehrt, hatte sich Thuillier nicht um sie gekümmert; er hoffte, seine Schwester später von ihrem Vorurteil zurückzubringen. Als dann aber die Frage der Zeitung aufs Tapet gebracht wurde, war er bei Brigitte auf einen so lebhaften Widerstand gestoßen, daß sie sich ihm gegenüber sogar zu der bitteren Bemerkung hinreißen ließ:
»Ruiniere dich nur, mein Lieber, du bist ja der Herr; wer dem Teufel den kleinen Finger hinreicht, dem nimmt er die ganze Hand.«
Trotzdem, als Brigitte nach erfolgtem Ankauf wegen mehrerer Einzelheiten bei der Einrichtung um Rat gefragt wurde und sah, daß sie ihr leidenschaftliches Interesse für alles Hauswirtschaftliche betätigen konnte; als sie über zwei Plätze bei den Falzerinnen verfügen konnte; als sie Coffinet, ihren Portier in der Rue-Saint-Dominique zum Bureaudiener machen und ihn wegen dieser Doppelstellung sein Portiersgehalt um zweihundert Franken kürzen konnte; als sie beauftragt wurde, Shirting für die Vorhänge des Redaktionszimmers, Lampen, Kohlenschaufeln und Feuerzangen einzukaufen, und die Weisung erhalten hatte, von Zeit zu Zeit sich von der Reinigung der Tintenfässer, dem Ausfegen der Bureaus und den übrigen, Ordnung und Sauberkeit betreffenden Einzelheiten zu überzeugen – da hatte sich ihre üble Laune erheblich gebessert, und als sie jetzt das Bekenntnis ihres Bruders anhörte, nahm sie es nicht mit Vorwürfen auf, sondern stimmte eine Art Triumphgesang an, mit dem sie die vermutliche Steigerung ihres Einflusses begrüßte.
»Um so besser!« rief sie aus, »nun weiß man doch endlich, daß er ein Spion ist! Ich habe diesen Heuchler immer im Verdacht gehabt! Schmeiß ihn doch ohne weitere Auseinandersetzung hinaus. Wir brauchen ihn nicht für die Zeitung. Dieser Cérizet, der, wie du sagst, ein so tüchtiger Mensch ist, wird uns schon einen andern Redakteur besorgen. Übrigens hat Frau von Godollo, als sie abreiste, versprochen, mir zu schreiben; wenn wir erst in Korrespondenz stehen, wird sie uns ohne Mühe einen empfehlen können! Unsere arme Celeste; der wäre gerade der Richtige für sie!«
»Wie du schon wieder losgehst!« erwiderte Thuillier. »La Peyrade, meine Liebe, ist doch zunächst nur beschuldigt, man muß ihn doch auch erst hören; und dann bindet uns ja ein Vertrag.«
»Ach so, sehr schön!« sagte Brigitte. »Ich sehe schon, wie es kommen wird; du wirst dich wieder einwickeln lassen; einen Vertrag mit einem Spitzel ... als ob ein Vertrag mit solchen Leuten gelten kann!«
»Ruhig, ruhig, meine
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