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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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gegenüber etwas herausnehmen wollte, gebührend zurechtgewiesen zu haben glaube.«
    »Geh doch schon endlich, du altes Vieh!« sagte Brigitte und schlug die Tür hinter ihm zu.
    Bevor sie in den Salon zurückkehrte, mußte sie ein großes Glas Wasser trinken; bei dem Zwang, den sie anwenden mußte, um mit diesem gefährlichen Gaste zu Ende zu kommen, hatte sich, wie sie sich ausdrückte, »alles in ihr herumgedreht.«
    Am andern Morgen ließ sich der alte Minard in Phellions Arbeitszimmer anmelden. Der große Mitbürger und sein Sohn Felix unterhielten sich gerade über eine Sache, die sie sehr zu erregen schien.
    »Mein lieber Felix,« rief der Bürgermeister und drückte dem jungen Professor warm die Hand, »Ihretwegen bin ich heute früh hergekommen; ich bringe Ihnen meine Glückwünsche!«
    »Was gibt es denn?« fragte Phellion; »sollten die Thuilliers sich endlich entschlossen haben ...«
    »Ach, als ob es sich gerade um die Thuilliers handelte!« unterbrach ihn der Bürgermeister. – »Aber sollte dieser Duckmäuser«, fuhr er fort und sah Felix dabei an, »Ihnen wirklich verhehlt haben ...?«
    »Ich glaube nicht,« sagte der große Mitbürger, »daß es irgend etwas gibt, was mein Sohn vor mir geheimhält.«
    »Also wußten Sie von der großartigen astronomischen Entdeckung, die er gestern der Akademie der Wissenschaften mitgeteilt hat?«
    »Ihr Wohlwollen für mich, Herr Bürgermeister,« sagte Felix schnell, »hat Sie eine Verwechslung begehen lassen; ich war nur der Vorleser, nicht der Verfasser der Abhandlung.«
    »Lassen Sie mich doch damit in Ruhe!« sagte Minard; »der Vorleser! Wir wissen schon alles.«
    »Aber lesen Sie doch hier die Zeitung«, erwiderte Felix und reichte Minard den ›Constitutionnel‹ hin; »nicht nur, daß sie Herrn Picot als den Entdecker nennt, sie teilt auch die Belohnung mit, die die Regierung ihm unverzüglich angewiesen hat.«
    »Felix hat recht«, sagte Phellion; »die Zeitung beweist es, und ich finde, daß sich die Regierung bei dieser Gelegenheit sehr richtig benommen hat.«
    »Aber mein lieber Kommandant, ich wiederhole Ihnen, daß alles herausgekommen und daß Ihr Sohn ein bewunderungswürdiger Mensch ist. Seine Entdeckung seinem alten Lehrer zuzuschreiben, um ihm die Gunst der Regierung zuzuwenden – einen so edlen Zug kenne ich aus dem ganzen Altertum nicht.«
    »Felix!« sagte der alte Phellion, bei dem sich eine Erregung bemerkbar zu machen begann, »diese riesigen Arbeiten, in die du dich seit einiger Zeit vergraben hast, diese fortwährenden Besuche der Sternwarte ...«
    »Aber nein, lieber Vater, Herr Minard ist falsch unterrichtet.«
    »Falsch unterrichtet!« wiederholte Minard, »wo ich die ganze Geschichte doch aus Herrn Picots eigenem Munde weiß!«
    Nach dieser Erklärung, die keinen Zweifel mehr zuließ, wurde Phellion endlich der wahre Zusammenhang klar.
    »Felix, mein liebes Kind!« rief er aus und erhob sich, um seinen Sohn zu umarmen.
    Aber er mußte sich wieder setzen, die Beine verweigerten ihm den Dienst, er erblaßte, und seine sonst so unerschütterliche Natur schien der freudigen Aufregung, die so plötzlich gekommen war, zu erliegen.
    »Mein Gott!« sagte Felix entsetzt, »ihm wird schlecht, bitte klingeln Sie doch, Herr Minard!«
    Und er näherte sich schnell dem Alten, nahm ihm eiligst die Krawatte und den Hemdkragen ab und schlug ihm auf die Handflächen. Aber die Ohnmacht dauerte nur einen Augenblick; als er wieder zu sich gekommen war, zog Phellion seinen Sohn ans Herz, hielt ihn lange umarmt und wiederholte mit tränenerstickter Stimme, mit der er sich nach der freudigen Aufregung Luft machte:
    »Felix, mein edler Sohn, dein Herz ist so erhaben wie dein Geist!«
    Minard hatte so stark und energisch geläutet, daß das ganze Haus davon auf die Beine gebracht wurde.
    »Es ist nichts, es ist nichts«, sagte Phellion zu den Dienstboten und entließ sie wieder.
    Aber als er gleichzeitig seine Frau eintreten sah, fand er sein übliches feierliches Gebaren wieder und sagte, auf Felix zeigend, zu ihr:
    »Frau Phellion, vor wieviel Jahren haben Sie diesen jungen Menschen zur Welt gebracht?«
    Verblüfft über diese Frage, zögerte Frau Phellion einen Augenblick und antwortete dann:
    »Nächsten Januar werden es fünfundzwanzig Jahre.«
    »Und finden Sie nicht,« fuhr Phellion fort, »daß der Himmel bisher schon Ihre mütterlichen Wünsche genügend erhört hat, indem er die Frucht Ihres Leibes zu einem ehrenhaften Mann und einem guten Sohn hat

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