Die Kleinbürger (German Edition)
einen gönnerhaften Ton angenommen hatte und außerdem gern wissen wollte, wie weit der andere von Corentin ins Vertrauen gezogen war, »ich sehe, daß Sie mit den geheimen Absichten der Regierung sehr vertraut sind: sollten Sie den Weg zu einer gewissen Kasse in der Rue de Grenelle gefunden haben?«
»Nein. Alles, was ich Ihnen da erzähle,« entgegnete Cérizet, »denn das ›Du‹ scheint zwischen uns ja endgültig abgeschafft zu sein, weiß ich von du Portail.«
»Ach so,« sagte la Peyrade leise; »wie verhält es sich eigentlich mit diesem du Portail, du hast ja schon eine ganze Zeit Beziehungen zu ihm? Ein so kluger Mensch wie du muß doch über eine Person, die, unter uns gesagt, einen ziemlich geheimnisvollen Anstrich hat, Bescheid wissen.«
»Lieber Freund,« erwiderte Cérizet, »du Portail ist ein ziemlich gerissener Mann. Der alte Schlaukopf scheint bei der Domänenverwaltung angestellt gewesen zu sein, wo er eine Direktorstelle in einem der seit dem Sturz des Kaiserreichs nicht mehr existierenden Departements innegehabt haben muß, etwa im Departement la Dyle, oder la Doire, oder Sambre-et-Meuse, oder Deux-Nèthes.«
»Ja ...«, sagte la Peyrade.
»Hierbei«, fuhr Cérizet fort, »scheint er sein Schäfchen ins Trockene gebracht zu haben und hat sich, da er eine natürliche Tochter besitzt, in ziemlich geschickter Weise den Ruf eines Philanthropen verschafft, indem er sie für die Tochter eines seiner Freunde, namens Peyrade, ausgab, die er zu sich genommen habe. Dann hat ihn dein Name de la Peyrade auf den Gedanken gebracht, um die Wahrscheinlichkeit dieser Version zu erhöhen, sie mit dir zu verheiraten, da er ja schließlich doch einen Mann für sie finden mußte.«
»Das mag so sein. Aber wie erklärst du dir seine intimen Beziehungen zur Regierung und das Interesse, das er an den Wahlen nimmt?«
»Das ist doch ganz natürlich,« antwortete Cérizet. »Du Portail ist auf Geld versessen und mischt sich gern überall ein; er leistet Rastignac, dem großen Wahlmacher, der, wie ich glaube, auch sein Landsmann ist, als Amateur Dienste; und dieser versorgt ihn dafür mit Nachrichten, die er beim Börsenspiel benutzt.«
»Hat er dir das alles anvertraut?« fragte la Peyrade.
»Wofür hältst du mich?« entgegnete Cérizet; »dem alten Biedermann gegenüber, von dem ich schon die Zusage der dreißigtausend Franken verlangt habe, spiele ich den Einfältigen und mache mich klein, aber ich habe Bruneau, den alten Kammerdiener, ausgehorcht. Du kannst dich mit dem Hause verbinden, du Portail ist ein mächtig reicher Mann, er wird dich zum Unterpräfekten ernennen lassen, und du begreifst, daß von da zu einer Präfektur, bei dem Vermögen, das du haben wirst, nur ein Schritt ist.«
»Ich danke dir für deine Auskünfte,« sagte la Peyrade; »ich weiß jetzt wenigstens, woran ich mich zu halten habe; aber wie hast du ihn denn kennen gelernt?«
»Oh, das ist eine ganze Geschichte; er ist durch meine Vermittlung wieder in den Besitz einer großen Menge Diamanten gelangt, die ihm entwendet worden waren.«
Jetzt erschien Corentin wieder.
»Alles geht vortrefflich«, sagte er zu la Peyrade. »Sie ist anscheinend auf dem besten Wege, ihren Verstand wieder zu erlangen. Bianchon, den ich von allem in Kenntnis zu setzen für nötig hielt, wünscht sich mit Ihnen zu besprechen. – Unsere kleine Prüfung der Angelegenheit Thuillier wollen wir, wenn es Ihnen recht ist, mein lieber Herr Cérizet, auf heute abend verschieben.«
»Na, hier ist er also endlich!« sagte Cérizet und schlug la Peyrade auf die Schulter.
»Jawohl,« sagte Corentin; »Sie wissen, was ich Ihnen versprochen habe, Sie können darauf rechnen.«
Cérizet entfernte sich sehr vergnügt.
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Am Tage nach der Unterhaltung zwischen Corentin, la Peyrade und Cérizet, die die Eröffnung des Belagerungszustandes über die Kandidatur Thuilliers zum Gegenstande hatte, unterhielt sich dieser gerade mit seiner Schwester über den Brief, in dem Theodosius auf Celestes Hand verzichtete, und zeigte sich besonders über die Nachschrift beunruhigt, in der der Provenzale durchblicken ließ, daß er möglicherweise nicht Chefredakteur des »Echo de la Bièvre« bleiben würde. Da erschien der Diener Henri und fragte ihn, ob er Herrn Cérizet empfangen wolle. Thuilliers erster Gedanke war, den unerwarteten Besucher abweisen zu lassen. Als er es aber länger überlegte, dachte er daran, daß bei der Verlegenheit, in die ihn die Androhung la Peyrades
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