Die Kleinbürger (German Edition)
erwiderte der Unschuldige lachend.
»Wovon sprechen Sie denn hier?« fragte Celeste, die zu ihrer Patin gekommen war.
»Mein Kind,« entgegnete das fromme Opferlamm, zog ihr Patenkind an sich und küßte es auf die Stirn, »er sagt, daß ihr beide mich lieb habt.«
»Seien Sie mir ob dieser Anmaßung nicht böse, mein Fräulein!« sagte der zukünftige Kandidat der Akademie der Wissenschaften leise, »und lassen Sie mich alles tun, um diese Absicht zu verwirklichen! ... Sehen Sie, ich bin nun einmal so, daß mich Ungerechtigkeit in tiefe Erregung versetzt! ... Ach, wie recht hat der Heiland gehabt, wenn er das Himmelreich den Sanftmütigen und den unschuldigen Lämmern verhieß! ... Wer Sie vorher nur geliebt hat, Celeste, der muß Sie um Ihrer edelmütigen Herzensregung bei Tische willen anbeten! Aber einen Märtyrer vermag eben nur die Unschuld zu trösten! ... Sie sind ein gütiges junges Mädchen, und Sie werden einmal als Frau der Stolz und das Glück Ihrer Familie werden. Glücklich der, der Ihr Gefallen erringen wird!«
»Aber liebste Patin, was sieht denn Herr Felix nur an mir? ...«
»Er weiß dich zu würdigen, mein Engel, und ich werde für Euch zu Gott beten ...«
»Wenn Sie wüßten, wie glücklich ich bin, daß mein Vater Herrn Thuillier einen Dienst erweisen kann ... und wie gern ich Ihrem Bruder nützlich sein möchte! ...«
»Also,« sagte Celeste, »haben Sie wohl die ganze Familie lieb?«
»Aber gewiß«, erwiderte Felix.
Die echte Liebe versteckt sich immer hinter dem Geheimnis der Schamhaftigkeit, selbst in ihrem Ausdruck, denn sie gibt sich schon von selbst zu erkennen; sie hält es nicht für nötig, wie die unechte Liebe, einen Brand zu entfachen, und wenn ein Beobachter in den Salon Thuillier hätte hineinblicken können, so würde er über den Vergleich der umfangreichen Vorbereitung, die Theodosius getroffen hatte, mit dem einfachen Vorgehen Felix' ein Buch schreiben können: Der eine repräsentierte die Natur, der andere die Gesellschaft; das Wahre und das Falsche standen einander gegenüber. Als sie bemerkte, wie ihrer entzückten Tochter die Glückseligkeit vom Gesichte abzulesen war, und wie das junge Mädchen von dem Gefühl, eine unausgesprochene Liebeserklärung verstehen zu können, verschönert wurde, fühlte Flavia einen Stich des Neides im Herzen; sie begab sich zu Celeste und sagte leise zu ihr:
»Du benimmst dich nicht passend, mein Kind, alle Leute sind auf dich aufmerksam geworden, und es ist kompromittierend, wenn du dich so lange Zeit mit Herrn Felix allein unterhältst, ohne daß du weißt, ob wir das billigen.«
»Aber, Mama, meine Patin war doch zugegen.«
»Ach, entschuldigen Sie, liebe Freundin,« sagte Frau Colleville, »ich hatte Sie garnicht bemerkt ...«
»Sie machen es wie alle Welt«, entgegnete dieser heilige Johannes Chrysostomos.
Dieses Wort traf Frau Colleville wie ein Pfeil mit einem Widerhaken; sie warf auf Felix einen Blick von oben herab und sagte zu Celeste: »Komm, setz dich hierher, mein Kind«, setzte sich selbst neben Frau Thuillier und wies ihrer Tochter einen Platz neben sich an.
»Und wenn ich mich totarbeiten soll,« sagte Felix zu Frau Thuillier, »ich muß Mitglied der Akademie der Wissenschaften werden, und ich werde auch irgendeine wichtige Entdeckung machen, damit ich ihre Hand auf Grund meiner Berühmtheit erhalte.«
»Ach,« sagte die arme Frau zu sich, »ich hätte solch einen stillen und freundlichen Gelehrten haben müssen, wie er ist! ... Dann hätte ich mich bei einem solchen Leben im Schatten in Ruhe entwickeln können ... Du hast das nicht gewollt, lieber Gott; aber füge wenigstens diese beiden Kinder zusammen und beschütze sie! Sie sind eins für das andere geschaffen.«
Und sie blieb in Nachdenken versunken, während sie den Höllenlärm mit anhörte, den ihre Schwägerin, dieses richtige Arbeitspferd, machte, die mit Hilfe der beiden Dienstboten den Tisch abdeckte, alles aus dem Speisezimmer herausräumte, damit die Tänzer und Tänzerinnen Platz hätten, und wie ein Kapitän auf der Kommandobrücke, der sich zum Kampfe anschickt, brüllte: »Ist noch genug Johannisbeersaft da? Es muß noch Mandelmilch besorgt werden«; oder: »das sind nicht genug Gläser und zu wenig Wein mit Wasser; nehmt die sechs Flaschen Landwein dazu, die ich eben heraufgeholt habe. Paßt aber auf, daß Coffinet, der Portier, sich keine nimmt! ... Karoline, du bleibst am Büfett ... Wenn um ein Uhr noch getanzt wird, gibts noch
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