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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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seinen Absichten so fern, daß er das Gesagte wohl hörte, aber nicht verstand.
    »Das war einer der schönsten Tage unsres Lebens«, sagte Brigitte, als sie um halb drei Uhr morgens mit ihrem Bruder allein in dem leeren Salon war; »wie stolz kannst du sein, daß dich deine Mitbürger so auf den Schild gehoben haben ...!«
    »Täusche dich nicht darüber, Brigitte, mein Kind, daß wir das alles nur einem Manne zu verdanken haben ...«
    »Und wen?«
    »Unserm Freunde la Peyrade.«
     
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    Nicht am nächsten Tage, sondern erst am übernächsten, dem Dienstag, konnten Dutocq und Theodosius Cérizet aufsuchen; der Gerichtsvollzieher hatte darauf aufmerksam gemacht, daß Cérizet am Sonntag und Montag nie zu Hause war, mit Rücksicht auf das vollständige Fernbleiben der Kundschaft an diesen beiden Tagen, an denen das Volk seinem Vergnügen nachgeht. Das Haus, nach dem sie ihre Schritte lenkten, war für das Aussehen des Faubourg Saint-Jacques besonders charakteristisch; und es ist ebenso von Wichtigkeit, es hier näher kennenzulernen, wie die Häuser Thuilliers und Phellions. Man weiß nicht, (und es ist wahr, man hat noch keine Kommission ernannt, um dieses Phänomen zu studieren), – man weiß weder wie noch weshalb die Pariser Bezirke, innerlich wie äußerlich, so verfallen und herunterkommen; wie die alten Sitze des Hofes und der Kirche, der Luxembourg und das Quartier Latin sich zu dem entwickeln konnten, was sie heute sind, trotz eines der schönsten Paläste der Welt, trotz der kühn geschwungenen Kuppel von Saint-Geneviève, der Mansards vom Val-de-Grâce und der Schönheit des botanischen Gartens. Man fragt sich, weshalb das Reizvolle aus dem Leben verschwindet; wie solche Häuser, wie die Vauquers, Phellions, Thuilliers, mit ihren Pensionaten, wie Pilze dort aus der Erde schießen konnten, wo so viele Bauten des Adels und der Kirche gestanden haben, und warum der Schmutz, die mit Unsauberkeit verbundenen Gewerbe und die arme Bevölkerung sich dieses erhöhten Platzes bemächtigen konnten, anstatt sich fern von einem so alten und vornehmen Stadtteil anzusiedeln ... Nachdem der Engel, der seine wohltätigen Fittiche über dieses Viertel ausgebreitet hatte, einmal verschwunden war, hat sich der Wucher unterster Sorte hier festgesetzt. Auf den Gerichtsrat Popinot war ein Cérizet gefolgt; und, merkwürdig und wohl zu beachten, vom sozialen Standpunkte aus war der Effekt ein durchaus nicht so sehr anderer. Popinot gab Darlehen, ohne Zinsen zu nehmen, und wußte sich in einen Verlust zu schicken; Cérizet hatte niemals Verluste und zwang die Unglücklichen, hart zu arbeiten und sparsam zu werden. Popinot verehrten die Armen, aber sie haßten auch Cérizet nicht. Er war das unterste Rad in der Maschine der Pariser Finanzwelt. Oben standen die Häuser Nucingen, Keller, du Tillet, Mongenod; etwas tiefer die Palmas, die Gigonnets, die Gobsecks; noch tiefer die Samanous, die Chaboisseaus, die Barbets; und am Ende, nach dem Pfandleihhause, dieser König der Wucherer, der seine Schlingen an den Straßenecken legte, um alle Arten von Elend, ohne daß ihm eine entging, abzufangen: die Firma Cérizet!
    Bei der Erwähnung des Schnürrocks war schon von dem Loch dieses aus seiner Gründung und aus der sechsten Kammer wieder Aufgetauchten die Rede gewesen.
    Das Haus war vom Salpeter angefressen, und seine Mauern, die eine übelriechende Feuchtigkeit ausschwitzten, zeigten überall breite Flecken von Schimmel. Es lag an der Ecke der Rue des Postes und der Rue des Poules, und sein Erdgeschoß war von einer Weinhandlung unterster Sorte eingenommen, einem grellrot roh angestrichenen Laden mit roten Schirtingvorhängen, einem bleiernen Schenktisch und schweren Eisenstangen.
    Über der Tür zu einem häßlichen Gang hing eine abscheuliche Laterne mit der Inschrift: »Nachtlogis«. Die Mauern waren mit Eisenkreuzen überdeckt, die bewiesen, wie mangelhaft die Standfestigkeit dieses Gebäudes war, das dem Weinhändler gehörte. Außer dem Erdgeschoß bewohnte er noch das Zwischengeschoß. Die Witwe Poiret, eine geborene Michonneau, hielt hier ein Hotel garni im ersten, zweiten und dritten Stock, dessen Zimmer für die Benutzung durch Arbeiter und die ärmsten Studenten eingerichtet waren.
    Cérizet hatte einen Raum im Erdgeschoß und einen im Zwischenstock inne, zu dem er über eine innere Treppe gelangte; der Zwischenstock erhielt sein Licht von einem scheußlichen, gepflasterten Hofe, aus dem mephitische Gerüche aufstiegen.

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