Die Kleinbürger (German Edition)
soll dem Onkel das strengste Stillschweigen auferlegen! Gehen Sie, liebes Kind! Unsre geliebte Celeste wird einmal Millionärin sein, und sie soll, verstehen Sie wohl, aus meiner Hand einen Gatten bekommen, der sie auf die Höhe erheben wird.«
»Soll ich Ihnen seinen Anfangsbuchstaben sagen?«
»Nun? ...«
»Theodosius de la Peyrade! Sie haben recht. Das ist ein Mann, der mit Unterstützung einer Frau wie Sie Minister werden kann!«
»Den hat uns der liebe Gott ins Haus geschickt«, rief die alte Jungfer aus.
In diesem Augenblick kehrten Herr und Frau Thuillier zurück. Fünf Tage später, im Monat April, wurde im »Moniteur« und durch öffentlichen Anschlag der Tag für die Wahlen zum Munizipalrat auf den 20. dieses Monats anberaumt. Seit einigen Wochen war das sogenannte Ministerium des 1. März am Ruder. Brigitte war in rosigster Laune, sie hatte sich von der Wahrheit der Angaben Theodosius' überzeugt. Der alte Chaffaroux hatte das Haus vom Keller bis zum Dachboden besichtigt und es baulich für ein Meisterwerk erklärt, der arme Grindot, der bei den Geschäften des Notars und Claparons beteiligte Architekt, glaubte für den Unternehmer zu arbeiten; der Onkel der Frau du Bruel dachte, daß es sich um die Interessen seiner Nichte handle, und erklärte, er könne das Haus für dreißigtausend Franken fertigstellen. So war seit einer Woche la Peyrade für Brigitte der Gott; sie bewies ihm mit der harmlosesten Unverfrorenheit, daß man das Glück, sobald es einem begegne, beim Schopfe fassen müsse.
»Und wenn doch irgend etwas Sündhaftes dabei vorkommen sollte,« sagte sie im Garten zu ihm, »nun, dann können Sie es ja beichten ...«
»Also vorwärts, lieber Freund,« rief Thuillier aus, »Teufel nochmal! Seinen Verwandten ist man das doch schuldig ...«
»Ich will es ja auch tun,« erwiderte la Peyrade bewegt, »aber ich stelle meine Bedingungen. Ich will nicht, daß man mich, wenn ich Celeste heirate, für habsüchtig und geldgierig hält ... Wenn ich Ihretwegen Gewissensbedenken auf mich nehme, dann sorgen Sie wenigstens dafür, daß ich vor der Öffentlichkeit nicht anders als bisher dastehe. Also, mein alter Junge, du darfst Celeste nicht mehr zuwenden als das bloße Eigentum an dem Hause, das ich dir verschaffen werde ...«
»Das ist vernünftig ...«
»Ihr dürft euch nicht berauben, und mein liebes Tantchen muß es ebenso machen, wenn wir den Ehekontrakt aufsetzen. Das übrige verfügbare Kapital müßt ihr auf Frau Thuilliers Namen ins Staatsschuldbuch eintragen lassen; was sie damit machen will, das soll in ihrem freien Belieben stehen. So wollen wir alle zusammen leben, und ich mache mich anheischig, selber vorwärts zu kommen, sobald ich über meine Zukunft beruhigt bin.«
»Einverstanden!« rief Thuillier. »So spricht ein Ehrenmann.«
»Ich muß Sie auf die Stirn küssen, mein Junge«, rief die alte Jungfer; »aber da doch eine Mitgift genannt werden muß, so wollen wir Celeste sechzigtausend Franken aussetzen.«
»Für ihre Toilette«, sagte la Peyrade.
»Wir sind ja alle drei ehrenhafte Leute«, rief Thuillier. »Also abgemacht, Sie besorgen uns die Sache mit dem Hause, wir schreiben zusammen ein politisches Buch, und Sie werden sich Mühe geben, mir den Orden zu verschaffen ...«
»Das wird geschehen, sobald Sie Mitglied des Munizipalrats sind, also am 1. Mai. Nur bewahren Sie, lieber Freund, und auch Sie, Tantchen, das strengste Stillschweigen, und hören Sie nicht auf die Verleumdungen, die mich zugrunde richten sollen, sobald alle die, die ich nun hineinlegen werde, sich gegen mich wenden ... Da werde ich ein Habenichts sein, wissen Sie, ein Schurke, ein gefährlicher Mensch, ein Jesuit, ein Ehrgeiziger, ein Geldjäger ... Werden Sie solche Anschuldigungen auch ruhig mitanhören können? ...«
»Darüber seien Sie ganz beruhigt«, sagte Brigitte. Von diesen Tagen an wurde Thuillier das »Freundchen«.
Das war die Anrede, die Theodosius jetzt gebrauchte, und zwar mit so verschiedenartiger zärtlicher Betonung, daß Flavia in Staunen geriet. »Tantchen« aber, eine Bezeichnung, die Brigitte so schmeichelhaft war, wurde nur gesagt, wenn Thuilliers unter sich waren, vor andern nur leise, und zuweilen auch in Flavias Gegenwart. Die Tätigkeit, die Theodosius, Dutocq, Cérizet, Barbet, Métivier, die Minards, die Phellions, Laudigeois, Collevilles, Prons, Barniols und ihre Freunde entwickelten, war ganz außergewöhnlich. Alle, groß und klein, legten Hand ans Werk. Cadenet warb in
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