Die Kleinbürger (German Edition)
Bankrott, der den bekannten Parfümhändler Birotteau mit sich riß, hatte keine andere Veranlassung; sie spekulierten ein wenig zu früh auf das Steigen dieser Terrains.«
»Ich erinnere mich daran«, erwiderte Brigitte.
»Das Haus kann zweifellos Ende dieses Jahres fertig sein und von Mitte des nächsten Jahres ab vermietet werden.«
»Können wir morgen hingehen?« »Ich stehe zur Verfügung, Schwiegertante.«
»Hören Sie, Sie dürfen mich niemals vor den andern so nennen ... Und was das Geschäft anlangt,« fuhr sie fort, »so kann man sich erst entscheiden, wenn wir das Haus besichtigt haben ...«
»Es hat sechs Stockwerke, eine Vorderfront von neun Fenstern, einen großen Hof, vier Läden und ist ein Eckhaus. Oh, der Notar versteht sich auf so was, darüber können Sie beruhigt sein! Aber es braucht nur irgendein politisches Ereignis einzutreten, und die Renten fallen und die Geschäfte gehen schlecht. An Ihrer Stelle würde ich alles, was Frau Thuillier besitzt, und alles, was Sie in Staatspapieren angelegt haben, verkaufen und für Thuillier dieses schöne Grundstück erwerben; Sie können dann das Vermögen der armen frommen Seele durch die künftigen Ersparnisse wieder einbringen ... Kann die Rente denn noch höher steigen, als sie heute steht? ... Hundertzwanzig, das ist ja fabelhaft! Man muß sich beeilen.«
Brigitte leckte sich die Lippen; sie sah die Möglichkeit vorhanden, ihr Kapital zu behalten und ihren Bruder auf Kosten seiner Frau zu bereichern.
»Mein Bruder hat ganz recht,« sagte sie zu Theodosius, »Sie sind wirklich ein kostbarer Mann, und Sie werden es noch weit bringen ...«
»Aber er wird mir vorangehen!« erwiderte Theodosius so unbefangen, daß das alte Mädchen gerührt war.
»Sie werden zur Familie gehören«, sagte sie.
»Es wird aber Hindernisse geben,« fuhr Theodosius fort, »Frau Thuillier ist nicht ganz klar im Kopfe, und sie liebt mich durchaus nicht.«
»Na, das möchte ich doch sehen! ...« rief Brigitte aus. »Aber erst wollen wir das Geschäft abschließen, wenn es annehmbar ist; Ihre Interessen überlassen Sie nur meinen Händen.«
»Wenn Thuillier Mitglied des Munizipalrats und Eigentümer eines Grundstücks ist, das ihm eine Miete von wenigstens vierzigtausend Franken bringt, wenn er dekoriert sein und ein politisches, gediegenes, ernsthaftes Buch publiziert hat ... dann wird er bei einer der nächsten Wahlen Deputierter werden. Aber, unter uns, Tantchen, solche Dienste leistet man nur seinem Schwiegervater ...«
»Sie haben recht.«
»Wenn ich auch kein Vermögen besitze, so werde ich dann doch das Ihrige verdoppelt haben; und wenn dieses Geschäft diskret gemacht ist, so werde ich mich noch nach andern solchen umsehen ...«
»So lange ich das Haus nicht gesehen habe,« sagte Fräulein Thuillier, »kann ich noch nichts darüber sagen ...«
»Also bestellen Sie morgen einen Wagen, und fahren wir hin; ich werde mir morgen früh die Erlaubnis zur Besichtigung besorgen.«
»Also auf morgen um zwölf Uhr«, erwiderte Brigitte und reichte Theodosius die Hand zum Einschlagen; er aber drückte auf sie den zärtlichsten und respektvollsten Kuß, den Brigitte jemals empfangen hatte.
»Adieu, mein Kind!« sagte sie, als er an der Tür war.
Dann klingelte sie schnell eins der Mädchen herbei und sagte:
»Josephine, gehen Sie sofort zu Frau Colleville und sagen Sie ihr, sie möchte zu mir kommen.«
Eine Viertelstunde später erschien Flavia im Salon, wo Brigitte in furchtbarer Aufregung hin und her ging.
»Hören Sie, Kleine, es handelt sich um einen großen Dienst, den Sie mir leisten können, und der auch unsre liebe Celeste angeht ... Sie kennen doch Tullia, die Tänzerin an der Oper; seiner Zeit hat mir ja mein Bruder von ihr die Ohren voll erzählt ...«
»Ja, meine Liebe; aber sie ist nicht mehr Tänzerin, sie ist jetzt die Frau Gräfin du Bruel. Und ihr Mann ist sogar Pair von Frankreich! ...«
»Steht sie noch so gut mit Ihnen?«
»Wir sehen uns nicht mehr.«
»Nun, ich weiß, daß Chaffaroux, der reiche Unternehmer, ihr Onkel ist ...« sagte die alte Jungfer. »Er ist alt und reich; besuchen Sie doch Ihre alte Freundin und sehen Sie zu, daß Sie ein paar Zeilen von ihr an ihren Onkel erhalten, des Inhalts, daß er ihr einen ganz besonderen Dienst leisten würde, wenn er ihr in einer Geschäftsangelegenheit, die Sie ihm vortragen würden, einen Freundesrat geben wollte, und daß wir ihn deshalb morgen um ein Uhr aufsuchen würden. Aber die Nichte
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