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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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aufgestanden; jetzt setzte er sich wieder und fuhr fort:
    »Also unser Geschäft, liebe Tante ... Sie werden ja so etwas wie meine Tante sein ...«
    »Schweigen Sie davon, Sie böser Mensch!« sagte Brigitte, »und nun reden Sie.«
    »Ich will Ihnen die nackten Tatsachen unterbreiten, wobei Sie bemerken werden, daß ich mich dadurch bloßstelle, denn ich verdanke diese vertraulichen Nachrichten meiner Stellung als Advokat ... Sie mögen sich also vorstellen, daß wir zusammen eine Art Roman-Verbrechen begehen ! Ein Pariser Notar hat sich mit einem Architekten assoziiert, sie haben Terrains erworben und sie bebaut; jetzt ist die Sache zusammengebrochen; ... sie haben sich in ihren Berechnungen geirrt ... aber lassen wir das beiseite ... Unter den Häusern dieser rechtswidrigen Sozietät – denn Notare dürfen keine Grundstücksgeschäfte machen – befindet sich eins, das, weil es noch nicht fertig ist, so niedrig eingeschätzt ist, daß sein Kaufpreis sich kaum auf hunderttausend Franken stellen wird, obwohl das Terrain und der Bau vierhunderttausend Franken gekostet haben. Da nur noch das Innere fertigzustellen ist und sonst weiter keine Kosten in Frage kommen, und andererseits alles hierzu Erforderliche bei den Unternehmern bereitliegt, die es billig hergeben würden, so kann die Summe, die man noch hineinstecken müßte den Betrag von fünfzigtausend Franken nicht übersteigen. Nun wird das Haus bei seiner Lage nach Abzug aller Unkosten mehr als vierzigtausend Franken Ertrag bringen. Es ist ganz in echtem Stein gebaut, nur die Seitenmauern aus Bruchsteinen; die Fassade ist mit den kostbarsten Skulpturen, für die man mehr als zwanzigtausend Franken ausgegeben hat, ausgestattet. Die Fenster haben Spiegelscheiben und Verschlüsse nach einem neuen System, sogenannte Pasquillschlösser.«
    »Schön, aber wo steckt die Schwierigkeit?«
    »Hierin: der Notar hat sich dieses Stück des Kuchens, den er im Stich lassen muß, vorbehalten, und unter dem Namen eines seiner Freunde gehört er zu den Darlehnsgebern, für die der Konkurs-Syndikus das Grundstück versteigern läßt; es ist keine gerichtliche Versteigerung, die sich zu teuer stellen würde, sondern eine freiwillige; nun hat sich der Notar, um es zu erwerben, an einen meiner Klienten gewandt und ihn gebeten, seinen Namen dafür herzugeben; mein Klient, ein armer Teufel, hat mir gesagt: ›Daran ist ein Vermögen zu verdienen, wenn man das dem Notar wegschnappen könnte ...‹«
    »So was kommt im Geschäftsleben vor«, rief Brigitte lebhaft.
    »Wenn es nur diese Schwierigkeit gäbe, so würde es sich damit so verhalten, wie einer meiner Freunde zu einem Schüler sagte, der sich über die Mühseligkeit beklagte, die die Herstellung eines Kunstwerks der Malerei erfordere: ›Wenn das nicht so wäre, Kleiner, da könnten ja die Lakaien auch welche anfertigen!‹ Aber, mein liebes Fräulein, wenn es auch gelingt, diesen üblen Notar zu überlisten, der, das können Sie mir glauben, das reichlich verdient hat, denn er hat viele Privatvermögen geschädigt, so wird es vielleicht sehr schwer sein, ihn noch ein zweites Mal übers Ohr zu hauen. Wenn ein Grundstück veräußert wird und die Gläubiger ihre Hypotheken wegen des unzulänglichen Preises in Gefahr sehen, dann haben sie die Möglichkeit, innerhalb einer gewissen Frist eine Neuausbietung verlangen zu können, das heißt, mehr zu bieten, um das Grundstück selber zu erwerben. Kann man nun diesen Schwindler nicht bis zum Ablauf der für die Neuausbietung gesetzten Frist hinhalten, so muß man zu einer neuen List greifen. Aber ist ein solches Vergehen auch ganz legal? ... Kann man das für eine Familie tun, deren Mitglied man werden will? ... Das ist es, was ich mich seit drei Tagen frage ...«
    Brigitte, das muß zugegeben werden, schwankte, und Theodosius rückte nun mit seiner letzten Reserve heraus.
    »Überschlafen wir die Sache; morgen können wir weiter darüber reden ...«
    »Hören Sie, mein Junge,« sagte Brigitte und sah den Advokaten mit beinahe verliebtem Blicke an, »vor allem muß man das Haus sehen. Wo steht es?«
    »Nahe bei der Madeleinekirche! Und dort wird in zehn Jahren der Mittelpunkt von Paris sein! Schon im Jahre 1819, wissen Sie, hat man diese Terrains ins Auge gefaßt. Das Vermögen des Bankiers du Tillet stammt dorther ... Der berüchtigte Bankrott des Notars Roguin, der einen solchen Schrecken in Paris verursachte und dem Ansehen des Notariats einen so bösen Schlag versetzte, dieser

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