Die Kleinbürger (German Edition)
Brigitte, sich bereit zu halten; sie verkaufte also am Tage vorher alle ihre Staatspapiere und die ihrer Schwägerin. Die Aufhebung des Vier-Mächte-Vertrages, eine richtige Beleidigung für Frankreich, ist eine historische Tatsache; aber es muß hier daran erinnert werden, daß zwischen Juli und Ende August die französische Rente bei der Beunruhigung durch die Kriegsaussichten, denen Herr Thiers nicht genügend widersprach, um zwanzig Franken fiel, so daß die dreiprozentige auf Sechzig stand. Das war aber noch nicht alles: Die finanzielle Deroute hatte auch auf die Grundstückspreise in Paris einen unheilvollen Einfluß, und alle Grundstücke, die zum Verkauf standen, gingen zu niedrigem Preise fort. Diese Ereignisse ließen Theodosius als Propheten erscheinen, als einen genialen Menschen in Brigittes und Thuilliers Augen, dem das Haus endgültig für fünfundsiebzigtausend Franken zugeschlagen wurde. Der Notar, der während dieses politischen Zusammenbruchs angezeigt und dessen Amt verkauft worden war, sah sich genötigt, für einige Tage aufs Land zu gehen; aber er behielt die zehntausend Franken Glaparons. Auf Theodosius' Rat schloß Thuillier mit Grindot zu einem festen Preise ab, der für den Notar zu arbeiten glaubte, wenn er das Haus fertig baute; und da in dieser Periode ängstlicher finanzieller Zurückhaltung die unterbrochene Bautätigkeit die Arbeiter ohne Beschäftigung ließ, so konnte der Architekt für billigen Preis seine Lieblingsschöpfung in vollendeter Weise zu Ende führen.
Für fünfundzwanzigtausend Franken stellte er vier Salons mit Vergoldung fertig! ... Theodosius verlangte, daß der Kontrakt schriftlich gemacht und daß an Stelle von fünfundzwanzigtausend fünfzigtausend Franken gesetzt wurden. Diese Grundstückserwerbung erhöhte Thuilliers Ansehen beträchtlich. Der Notar hatte angesichts der politischen Ereignisse, die wie ein Wirbelsturm an einem schönen Tage hereingebrochen waren, den Kopf verloren. In seiner Machtstellung sicher, gestützt auf so viele geleisteten Dienste und Thuillier durch das Buch, das sie zusammen verfaßten, an sich gefesselt haltend, besonders aber von Brigitte wegen seines zurückhaltenden Wesens verehrt, denn er hatte niemals eine Anspielung auf seine eigene Bedürftigkeit gemacht oder von Geld gesprochen, gab sich Theodosius nun etwas weniger unterwürfig als bisher. Brigitte und Thuillier sagten zu ihm:
»Nichts kann Ihnen unsere Achtung rauben, Sie sind bei uns jetzt wie zu Hause; Minards und Phellions Meinung über Sie, die Sie zu fürchten scheinen, bedeuten für uns nicht mehr als ein Vers von Victor Hugo. Also lassen Sie sie reden, ... und tragen Sie den Kopf hoch!«
»Wir brauchen sie noch für Thuilliers Wahl in die Kammer!« sagte Theodosius. »Folgen Sie nur meinen Ratschlägen; Sie fahren doch recht gut dabei, nicht wahr? Wenn Sie das Haus erst endgültig haben, dann kostet es Sie nichts, denn Sie können dreiprozentige Rente zum Kurse von Sechzig für Frau Thuillier kaufen, damit sie wieder in den Besitz ihres ganzen Vermögens gelangt ... Warten Sie zunächst ab, bis die Frist für das Höherbieten abgelaufen ist, und halten Sie die fünfzehntausend Franken für unsere Gauner bereit.«
Brigitte wartete nicht so lange: sie machte ihre gesamten Kapitalien bis auf eine Summe von hundertzwanzigtausend Franken flüssig und kaufte für Rechnung ihrer Schwägerin und auf deren Namen zwölf Stücke der dreiprozentigen Rente für zweihundertvierzigtausend Franken und zehn auf ihren Namen und beschloß, sich nicht weiter mit den Darlehnsgeschäften zu befassen. Ihr Bruder würde nun, außer seiner Pension, vierzigtausend Franken Einkommen haben, Frau Thuillier zwölftausend und sie selbst achtzehntausend, im Ganzen also sechzigtausend Franken und freie Wohnung, die sie auf achttausend Franken schätzte.
»Wir sind ebenso reich, wie Minards!« rief sie aus.
»Wir wollen noch nicht Viktoria rufen,« sagte Theodosius zu ihr, »der zweite Bietungstermin ist erst in acht Tagen. Ich habe nur für Ihre Angelegenheiten gesorgt, aber meine eigenen Verhältnisse sind recht zerrüttet ...«
»Mein liebes Kind, rechnen Sie auf Ihre Freunde! ...« rief Brigitte; »wenn Sie fünfundzwanzig Louisdors nötig haben, werden Sie sie immer bei uns finden! ...«
Bei diesen Worten wechselte Theodosius einen lächelnden Blick mit Thuillier, der ihn mit hinaus nahm und zu ihm sagte:
»Nehmen Sie das meiner guten Schwester nicht übel, sie sieht die Welt aus der
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