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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Froschperspektive ... Wenn Sie aber fünfundzwanzigtausend Franken nötig haben, so würde ich Sie Ihnen leihen ... nach meinen ersten Mieteinnahmen«, setzte er hinzu.
    »Thuillier, ich trage einen Strick um den Hals«, rief Theodosius aus. »Ich habe Wechselschulden, seitdem ich Advokat bin ... Aber still! ...« fügte er hinzu, erschrocken darüber, daß ihm dies Geständnis seiner Lage entschlüpft war. »Ich bin in den Krallen von Schurken ... aber ich werde sie schon klein bekommen ...«
    Als er sein Geheimnis verriet, hatte Theodosius dabei eine doppelte Absicht: er wollte Thuillier auf die Probe stellen, und er wollte einem verhängnisvollen Schlage zuvorkommen, den er bei dem verbissenen, unheilvollen Kampfe, den er führen mußte, seit langer Zeit erwartete. Wenige Worte werden seine furchtbare Lage erklären.
    Als er sich im tiefsten Elend seiner Armut befand, besuchte ihn nur Cérizet in seiner Dachstube, wo er bei großer Kälte im Bette lag, da er keinen Anzug mehr hatte. Er besaß nur noch ein Hemd. Seit drei Tagen lebte er von einem Brote, das er vorsichtig einteilte, und er legte sich die Frage vor: »Was soll werden?« In diesem Augenblick erschien sein alter Beschützer, der eben begnadigt worden war und das Gefängnis verlassen hatte. Die Projekte, die die beiden Männer vor dem Holzfeuer schmiedeten, der eine in eine Decke seiner Wirtin gehüllt, der andere in seine Niederträchtigkeit, brauchen nicht erwähnt zu werden. Am andern Tage brachte ihm Cérizet, der Dutocq am Morgen getroffen hatte, eine Hose, eine Weste, Rock, Hut und Stiefel, die er im Temple gekauft hatte, und nahm Theodosius zum Essen mit. Der Provenzale verzehrte bei Pinson, in der Rue de l'Ancienne-Comédie, die Hälfte eines Diners, das siebenundvierzig Franken kostete. Beim Nachtisch, zwischen zwei Weinsorten, sagte Cérizet zu seinem Freunde:
    »Willst du mir über fünfzigtausend Franken Wechsel ausstellen und dich als Advokat unterzeichnen?«
    »Dafür würdest du nicht fünftausend Franken bekommen ...« erwiderte Theodosius.
    »Das geht dich nichts an; du wirst sie schon voll bezahlen; das ist unser Gewinnanteil, der des Herrn, der dich freihält, und meiner, bei einer Angelegenheit, bei der du nichts riskierst, während du den Advokatentitel, eine gute Klientel und die Hand eines blutjungen Mädchens mit wenigstens zwanzig- bis dreißigtausend Franken Rente haben sollst. Weder Dutocq noch ich können sie heiraten, wir müssen dich ausstatten, dir das Ansehen eines anständigen Menschen geben, für deine Nahrung und Wohnung sorgen und dir eigene Möbel anschaffen ... Wir müssen also Garantien verlangen. Ich sage das nicht meinetwegen, ich kenne dich ja, sondern für den Herrn, der mich nur vorschiebt ... Wir equipieren dich eben, weißt du, als einen Seeräuber, der mit weißem Fleisch handeln soll. Wenn wir diese Mitgift nicht kapern können, nun, dann werden wir andere Beutezüge unternehmen ... Unter uns gesagt, wir brauchen die Dinge nicht mit der Zange anzufassen, das ist klar ... Wir werden dir Instruktionen geben, denn die Sache muß von langer Hand vorbereitet werden; es wird tüchtige Arbeit geben, o ja! ... Aber hier sind Stempelmarken ...«
    »Kellner, Tinte und Feder!« sagte Theodosius.
    »So liebe ich die Leute!« rief Dutocq.
    »Unterschreibe: ›Theodosius de la Peyrade‹ und setze eigenhändig hinzu: ›Advokat, Rue Saint-Dominique-d'Enfer‹ unter die Worte ›Akzeptiert für zehntausend‹; denn wir werden das Datum festsetzen, wir werden den Wechsel protestieren lassen und ausklagen, alles ganz in der Stille, damit wir auch einen Haftbefehl gegen dich erwirken können. Die Reeder müssen eine Sicherheit haben, wenn der Kapitän und die Brigg auf dem Meere schwimmen.«
    Am Tage nach Theodosius' Eintragung in die Advokatenrolle leistete der Gerichtsvollzieher des Friedensgerichts Cérizet den Dienst, im geheimen alle erforderlichen Schritte zu tun; er ging am Abend zu dem Advokaten, und alles wurde ordnungsmäßig erledigt, ohne daß es an die Öffentlichkeit gelangte. Das Handelsgericht fällt hundert solche Urteile in jeder Sitzung. Man weiß, was für strenge Statuten die Kammer der Pariser Advokaten hat. Diese Körperschaft und die der Anwälte üben eine scharfe Disziplin über ihre Mitglieder aus. Ein Advokat, der genötigt wäre, nach Clichy zu gehen, würde aus der Advokatenrolle gestrichen werden. Daher hatte Cérizet auf Dutocqs Rat gegen ihren Strohmann die einzige Maßregel ergriffen, mit

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