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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Hause.«
    »Warum hast du sie nicht bei dir?« fragte Cérizet scharf.
    »Das wirst du gleich hören«, antwortete der Advokat, der auf dem Wege zwischen der Rue Saint-Dominique und der Estrapade seinen Entschluß gefaßt hatte.
    Der Provenzale, der sich auf dem Rost, auf den ihn seine beiden Gesellen gelegt hatten, wand, hatte einen guten Gedanken gehabt, der ihm wie ein Funke aus den glühenden Kohlen aufgeblitzt war. In der Gefahr kommt Einem die Erleuchtung. Er rechnete auf die Wirkung der Offenheit, die jedermann umstimmt, selbst einen Schurken. Man empfindet fast immer ein dankbares Gefühl, wenn der Gegner beim Duell sich bis auf den Gurt entblößt hat.
    »Schön!« sagte Cérizet, »jetzt beginnt der Schwindel ...«
    Das war ein unheilverkündendes Wort, das fast ganz durch die Nase ausgestoßen wurde und dadurch eine fürchterliche Betonung erhielt.
    »Du hast mich in eine vorzügliche Lage gebracht, und ich werde dir das niemals vergessen, mein lieber Freund«, entgegnete Theodosius bewegt.
    »Oh, wie wahr ist das! ...« sagte Cérizet.
    »Höre mich an: du zweifelst doch nicht an meinen guten Absichten?«
    »O ja! ...« entgegnete der Wucherer.
    »Nein.«
    »Du willst die fünfzehntausend nicht herausrücken ...«
    Theodosius zuckte die Achseln und sah Cérizet scharf an, der sich daraufhin still verhielt.
    »Wenn du dich an meiner Stelle befändest, vor der Mündung einer geladenen Kanone, würdest du dann nicht das Verlangen empfinden, ein Ende zu machen? ... Höre mich aufmerksam an! Du machst gefährliche Geschäfte, es wäre also ein Glück für dich, wenn du innerhalb der Pariser Justizverwaltung jemanden hättest, auf den du dich verlassen könntest ... Wenn ich meinen Weg so weiter mache, kann ich Staatsanwaltsgehilfe werden, und in drei Jahren vielleicht schon Generalstaatsanwalt sein. Ich biete dir heute meine aufopferungsfähige Freundschaft an, die dir ganz sicher von Nutzen sein wird, sei es auch nur, um später mal wieder eine ehrenhafte Stellung zurückzugewinnen. Meine Bedingungen nun sind ...«
    »Bedingungen?!« rief Cérizet aus.
    »In zehn Minuten bringe ich dir fünfundzwanzigtausend Franken, dagegen händigst du mir alle Wechsel aus, die du von mir in Händen hast ...«
    »Und Dutocq? Und Claparon? ...« rief Cérizet.
    »Die wirst du schießen lassen«, sagte Theodosius leise zu seinem Freunde.
    »Das ist nett!« antwortete Cérizet; »und da hast du dieses Taschenspielerkunststück ausgeheckt, wo du nur fünfzehntausend Franken in Händen hast, die dir nicht einmal gehören? ...«
    »Ich kann noch zehntausend dazu beschaffen ... und im übrigen, wir beiden kennen uns doch ...«
    »Wenn du die Möglichkeit hast, bei deinen Bourgeois zehntausend Franken loszueisen,« sagte Cérizet lebhaft, »dann kannst du auch fünfzehn verlangen ... Bei dreißigtausend bin ich dein Mann ... Offenheit gegen Offenheit.«
    »Du verlangst etwas Unmögliches!« rief Theodosius aus. »Wenn du jetzt mit einem Menschen wie Claparon zu tun hättest, so wären deine fünfzehntausend Franken verloren, denn das Haus gehört bereits unserm Thuillier ...«
    »Ich werde es ihm sagen«, entgegnete Cérizet, tat, als ob er mit Claparon sprechen wollte und ging in das Zimmer hinauf, aus dem sich der besagte Claparon zehn Minuten vor Theodosius' Erscheinen als Bürgerfrau verkleidet entfernt hatte.
    Die beiden Gegner hatten, wie man sich denken kann, so leise verhandelt, daß man nichts verstehen konnte, denn sobald Theodosius die Stimme erhob, machte Cérizet dem Advokaten ein Zeichen, daß Claparon sie hören könne. Die fünf Minuten, während deren Theodosius das Geräusch zweier Stimmen vernahm, waren für ihn eine Tortur, denn es handelte sich für ihn um leben oder sterben. Dann kam Cérizet herunter und näherte sich seinem Genossen mit einem Lächeln auf den Lippen, die Augen von infernalischer Bosheit leuchtend und vor Freude zitternd, der leibhaftige vergnügte Luzifer!
    »Ich weiß ja nichts! ...« bemerkte er und zuckte die Achseln; »aber Claparon hat seine Beziehungen, er hat mit den Bankiers der Hochfinanz zusammen gearbeitet; der hat gelacht und gesagt: ›Das konnte ich mir denken! ...‹ Du wirst gezwungen werden, mir morgen die fünfundzwanzigtausend Franken zu bringen, die du mir jetzt anbietest, und du wirst trotzdem deine Wechsel zurückkaufen müssen, mein Junge.«
    »Und weshalb? ...« fragte Theodosius, der das Gefühl hatte; daß seine Wirbelsäule sich auflöste, als ob irgendeine

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