Die Kleinbürger (German Edition)
warten, im Besitz und wird es Ihnen gegen die stipulierten zehntausend Franken aushändigen, aber ich muß dabei zugegen sein, denn mir gehören davon fünftausend Franken ... und ich teile Ihnen mit, verehrter Herr, daß die Unterschrift unter dem Revers noch nicht ausgefüllt ist.«
»Ich werde erscheinen«, sagte der Exnotar.
Der arme Teufel wartete die ganze Nacht mit einer Angst, die man sich vorstellen kann, denn es handelte sich um seine Rettung oder seinen definitiven Ruin. Bei Sonnenaufgang aber erschien an Stelle Claparons ein Amtsbote des Handelsgerichts mit einem regelrechten Urteil und ersuchte ihn, ihm nach Clichy zu folgen.
Cérizet hatte sich mit einem Gläubiger des unglücklichen Notars verständigt, dem er ihn auszuliefern sich für die Hälfte der Schuld verpflichtet hatte. Von den für Claparon bestimmten zehntausend Franken mußte das in den Hinterhalt gelockte Opfer, um sich die Freiheit zu bewahren, stehenden Fußes sechstausend Franken hergeben. Soviel betrug diese Schuld.
Als er seinen Anteil an dieser Erpressung einstrich, sagte Cérizet zu sich:
»Mit diesen tausend Talern werde ich Claparon aus dem Lande schaffen.«
Als der Notar zurückkam, sagte Cérizet zu ihm:
»Claparon ist ein Elender, mein Herr! Er hat von dem Ersteigerer, der nun rechtmäßiger Eigentümer ist, fünfzehntausend Franken erhalten ... Drohen Sie ihm, daß Sie seinen Gläubigern seinen Zufluchtsort verraten und eine Klage gegen ihn wegen betrügerischen Bankrotts anhängig machen werden, dann wird er Ihnen die Hälfte herausgeben.«
In seiner Wut schrieb der Notar einen flammenden Brief an Claparon. Dieser befürchtete in seiner Verzweiflung eine Verhaftung, und Cérizet nahm es auf sich, ihm einen Paß zu verschaffen.
»Du hast mir viele Streiche gespielt, Claparon«, sagte Cerizet; »aber höre, du sollst mir Gerechtigkeit widerfahren lassen. Alles was ich besitze, sind tausend Taler ... und die will ich dir geben! Geh nach Amerika und fang dort von neuem an, dir ein Vermögen zu verschaffen, wie ich es hier tue.«
Am Abend reiste Claparon, von Cérizet als alte Frau verkleidet, mit der Schnellpost nach le Havre ab. Cérizet sah sich nun als Herrn der von Claparon verlangten fünfzehntausend Franken und konnte ruhig, ohne daß ihn etwas drängte, auf Theodosius' Erscheinen warten. Dieser ungewöhnlich scharfsinnige Mensch hatte unter dem Namen eines Gläubigers, dem ein Betrag von zweitausend Franken geschuldet wurde, eines Zwischenmeisters, der dazu nicht ordnungsmäßig berechtigt war, den Antrag auf einen Höherbietungstermin gestellt. Es war das eine Idee von Dutocq, die er sich zur Ausführung zu bringen beeilte. Man konnte nun noch einmal fünfzehntausend Franken verlangen, um diese neue Konkurrenz aus dem Wege zu räumen: das bedeutete ein Mehr von siebentausendfünfhundert Franken in seine Tasche, und er brauchte sie, um eine der Thuillierschen ganz gleiche Angelegenheit in Szene zu setzen, auf die ihn Claparon, der infolge seines Unglücks stillgelegt war, aufmerksam gemacht hatte. Es handelte sich um ein Haus in der Rue Geoffroy-Marie, das für die Summe von sechzigtausend Franken verkauft werden sollte. Die Witwe Poiret wollte zehntausend Franken dazu hergeben, der Weinhändler ebensoviel und außerdem, noch Wechsel über zehntausend Franken ausstellen. Diese dreißigtausend Franken zusammen mit dem, was er noch bekommen sollte, und den sechstausend Franken, die er hatte, würden ihm erlaubt haben, sein Glück zu versuchen, um so mehr, als die von Theodosius geschuldeten fünfundzwanzigtausend Franken ihm sicher zu sein schienen.
›Die Frist für den zweiten Bietungstermin ist abgelaufen‹, sagte sich Theodosius, als er Dutocq bat, Cérizet her zu bestellen; ›wenn ich jetzt versuchte, mich von meinem Blutsauger zu befreien?‹
»Sie können über die Angelegenheit nirgends anderswo als bei Cérizet verhandeln, da sich Claparon dort befindet«, erwiderte Dutocq.
Theodosius ging also zwischen sieben und acht Uhr abends in die Höhle des Armenbankiers, den der Gerichtsvollzieher am Morgen von dem Besuche ihres wandelnden Kapitals benachrichtigt hatte.
La Peyrade wurde von Cérizet in der scheußlichen Küche empfangen, in der, wie wir gesehen haben, das Elend kleingehackt und der Jammer gekocht wurde. Ganz wie zwei Tiere im Käfig schritten sie auf und ab, während sich folgende Szene zwischen ihnen abspielte:
»Bringst du die fünfzehntausend Franken?«
»Nein, aber ich habe sie zu
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