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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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der sich jeder von ihnen fünfundzwanzigtausend Franken von Celestes Mitgift sichern konnte. Als er die Wechsel ausstellte, hatte Theodosius sich nur die Lebensmöglichkeit verschaffen wollen; aber in dem Verhältnis, wie sich seine Aussichten erhellten, in dem Maße, wie er in der Rolle, die er spielte, von Stufe zu Stufe auf der sozialen Leiter immer höher stieg, träumte er auch davon, sich von seinen beiden Spießgesellen losmachen zu können. Als er daher die fünfundzwanzigtausend Franken von Thuillier erbat, hoffte er, bei Cérizet einen Nachlaß von fünfzig Prozent auf seine Wechselschuld durchsetzen zu können.
    Solche gemeinen Spekulationsgeschäfte sind leider keine Ausnahmen; sie kommen in Paris in zu unverhüllter Form vor, als daß der Historiker sie bei einer genauen und vollständigen Schilderung der gesellschaftlichen Verhältnisse übergehen dürfte. Dutocq, dieser abgefeimte Gauner, schuldete noch fünfzehntausend Franken auf sein Amt und hoffte, in der Erwartung eines erfolgreichen Ausgangs, vulgär gesprochen, die Leine noch bis zum Ende des Jahres 1840 locker lassen zu können. Bisher also hatte keine der drei Personen sich gerührt oder aufbegehrt. Jeder war sich dessen bewußt, was er vermochte und welche Gefahr er lief. Gleich war bei allen das Mißtrauen, die gegenseitige Beobachtung, das düstere Schweigen oder der bestimmte Blick, wenn der wechselseitige Verdacht sich auf den Gesichtern malte und bei ihren Unterredungen zum Vorschein kam. Besonders seit den letzten zwei Monaten hatte die Stellung Theodosius' die Stärke eines detachierten Forts erlangt. Dutocq und Cérizet hielten in ihrem Boot eine Pulverkammer bereit, für die die Lunte immer brannte; aber der Sturm konnte sie ausblasen, und der Teufel konnte die Pulverkammer ins Wasser stürzen.
    Der Augenblick, wo die wilden Tiere ihr Futter erhalten, war von je als der kritischste angesehen worden, und dieser Augenblick war für die drei ausgehungerten Tiger gekommen. Cérizet sagte zuweilen zu Theodosius mit dem Blicke des Revolutionsmannes, den die Souveräne zweimal in diesem Jahrhundert kennengelernt haben:
    »Ich habe dich zum König gemacht, und ich selbst bin nichts. Ist man nicht alles, so ist man gar nichts.«
    Ein starkes Gefühl des Neides riß Cérizet mit Lawinengeschwindigkeit fort. Dutocq war von der Gnade seines wohlhabend gewordenen Sekretärs abhängig. Theodosius hätte seine beiden Teilhaber und ihre Wechsel am liebsten auf zwei Scheiterhaufen verbrannt. Alle drei wußten zu genau, daß jeder seine Gedanken verbarg, als daß sie sich nicht gegenseitig beargwöhnt hätten. Theodosius machte eine dreifache Hölle durch, wenn er an das Aufdecken der Karten bei seinem Spiel und an seine Aussichten dachte! Was er Thuillier sagte, war ein Schrei der Verzweiflung; er warf die Angel im Wasser des alten Bourgeois' aus und konnte nur fünfundzwanzigtausend Franken herausfischen.
    ›Und vielleicht auch gar nichts, in einem Monat!‹ sagte er sich, als er heimgekehrt war.
    Es ergriff ihn ein tiefer Haß gegen Thuillier. Aber er hielt ihn an einer Harpune, die bis ins Innerste der Eigenliebe gedrungen war, mit dem projektierten Werke fest, das den Titel »Über Steuern und Amortisation« tragen sollte, worin er die Gedanken, die in dem saint-simonistischen »Globe« publiziert worden waren, zusammenzustellen gedachte, indem er sie in seinen warmen Südländerstil übertrug und sie in ein System brachte. Thuilliers Vertrautheit mit dieser Materie mußte Theodosius dabei sehr nützlich sein. Er hielt sich an diesem Stricke fest und beschloß, auf diese so kümmerliche Basis gestützt, die Eitelkeit eines Dummkopfs auszunützen. Bei so etwas baut man, je nach dem betreffenden Charakter, entweder auf Granit oder auf Sand. Nach reiflicher Überlegung war er froh über sein Geständnis.
    ›Wenn er sich überzeugt hat, daß ich ihm für ein Opfer von fünfzehntausend Franken ein Vermögen gesichert habe, wo ich selbst so nötig Geld brauche, dann wird er mich für den Inbegriff der Ehrenhaftigkeit halten müssen.‹
    Claparon und Cérizet waren am Abend vor dem Ablauf der Frist für das Mehrbieten gegen den Notar in folgender Weise vorgegangen: Cérizet, dem Claparon das Losungswort gegeben und den Rückzug des Notars gemeldet hatte, ging zu diesem und sagte ihm:
    »Ein Freund von mir, Claparon, den Sie ja kennen, hat mich gebeten, Sie aufzusuchen; er erwartet Sie übermorgen abend, wie verabredet; er hat das Papier, auf das Sie

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