Die Kleinbürger (German Edition)
innerliche elektrische Entladung sie zerbrochen hätte.
»Weil das Haus uns gehört!«
»Aber wie denn?«
»Claparon hat den Antrag auf einen Termin zum Höherbieten im Namen eines Zwischenmeisters gestellt, des ersten Gläubigers, der ihn verklagt hat, einer kleinen Kröte, namens Sauvaignou; der Anwalt Desroches hat die Sache übernommen, und morgen früh werdet ihr eine Zustellung erhalten ... Die Sache verlohnt es, daß Claparon, Dutocq und ich uns Gelder zu verschaffen suchen ... Was wäre ich ohne Claparon geworden? Deshalb habe ich ihm auch verziehen ... Ja, ich verzeihe ihm, und ich habe ihn sogar, du wirst mir das vielleicht nicht glauben, lieber Freund, umarmt! Also komm uns mit andern Bedingungen.«
Diese letzten Worte hörten sich fürchterlich an, besonders wenn man den Gesichtsausdruck Cérizets, der sie begleitete, beobachtete; er machte sich das Vergnügen, eine Szene aus dem »Legatar« aufzuführen, während er den Eindruck verfolgte, den das auf den Provenzalen machte.
»Oh, Cérizet! ...« rief Theodosius aus, »mir das, der ich immer dein Bestes wollte!«
»Ja, siehst du, mein Lieber,« erwiderte Cérizet, »unter uns gesagt, das muß man haben! ...« Und er schlug sich aufs Herz.
»Das hast du nicht. Sobald du glaubst, daß du uns an der Kandare hast, willst du uns klein kriegen ... Ich habe dich aus deinen Ungeziefer herausgezogen und vor dem Schrecken des Verhungerns bewahrt! Du wärst wie ein Schwachkopf zugrunde gegangen ... Wir haben dich instand gesetzt, ein Vermögen zu erwerben, wir haben dir die schönste soziale Stellung verschafft und dich dorthin gebracht, wo etwas zu holen war ... und nun benimmst du dich so! Aber ich kenne dich jetzt: wir werden unsre Waffen gebrauchen.«
»Das heißt also: Krieg!« sagte Theodosius.
»Du hast ja zuerst auf mich geschossen«, entgegnete Cérizet.
»Aber wenn ihr mich vernichtet, dann Adieu mit euren Erwartungen! Und wenn euch das nicht gelingt, dann habt ihr einen Feind an mir!«
»Dasselbe habe ich gestern zu Dutocq gesagt«, erwiderte Cérizet kühl; »aber was willst du? Wir werden zwischen beiden Eventualitäten zu wählen haben ... je nach den Umständen. Aber«, fuhr er nach einer Pause fort, »ich bin ein guter Kerl: bring mir morgen früh um neun Uhr die fünfundzwanzigtausend Franken, dann kann Thuillier das Haus behalten ... Wir werden dich auch weiterhin überall unterstützen, und du wirst uns dafür bezahlen ... Ist das, nach dem, was gestern geschehen ist, nicht nett von mir, mein Junge? ...« Und Cérizet schlug Theodosius auf die Schulter in so zynischer Weise, daß es vernichtender wirkte als ehemals das Eisen des Henkers.
»Also, dann laß mir Zeit bis morgen mittag,« bemerkte der Provenzale, »denn, wie du sagst, ich muß das Geld doch erst loseisen!«
»Ich werde versuchen, Claparons Einwilligung zu erlangen; er hat es sehr eilig, der Mann!«
»Also auf morgen«, sagte Theodosius wie Einer, der seinen Entschluß gefaßt hat.
»Guten Abend, lieber Freund«, sagte Cérizet mit seinem nasalen Ton, der auch das schönste Wort der Sprache verunziert hätte. – »Der hat sein Fett weg!« ... sagte er zu sich, als er Theodosius auf der Straße mit wankenden Schritten forteilen sah.
Als Theodosius zur Rue des Postes gelangt war, ging er schnellen Schritts auf das Haus der Frau Colleville zu, während er sich selbst in Erregung versetzte und laut mit sich sprach. Die Glut seiner leidenschaftlichen Aufregung und der angefachte Brand in seinem Innern, der vielen Parisern bekannt ist, denn solche schrecklichen Situationen gibt es in Paris im Überfluß, versetzten ihn in eine Art von Wahnsinn und eine Wut zu reden, die gleich verständlich sein werden. An der Ecke von Saint-Jaques du Haut-Pas, in der kleinen Rue des Deux-Eglises, rief er laut:
»Ich werde ihn töten!« ...
»Der ist auch nicht gerade sehr zufrieden!« sagte ein Arbeiter, der mit dieser scherzhaften Bemerkung die Wahnsinnsglut, in die Theodosius geraten war, dämpfte.
Als er Cérizet verließ, war ihm der Gedanke gekommen, sich Flavia anzuvertrauen und ihr alles zu gestehen. Die Südländernaturen sind so beschaffen, stark bis zu einer gewissen Grenze der Leidenschaftlichkeit, wo sie zusammenbrechen. Er trat herein, Flavia war allein in ihrem Zimmer; beim Anblick Theodosius' dachte sie, er wolle sie vergewaltigen oder ermorden.
»Was ist Ihnen denn?« rief sie.
»Ich ... Lieben Sie mich, Flavia?« sagte er.
»Können Sie daran zweifeln?«
»Lieben
Weitere Kostenlose Bücher