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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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man einkaufen gehen kann; denn schließlich ist das doch peinlich, wenn jeder alles sieht, was man vom Markte mitbringt.«
    »Ich könnte Ihnen einen Handkorb borgen«, sagte die Portiersfrau, immer dienstfertig bemüht.
    »Danke, ich werde mir einen Korb kaufen«, antwortete die Fischhändlerin, mehr auf das bedacht, was sie von dem Bettler wegtragen, als was sie ihm bringen wollte. »Gibt es nicht hier in der Nähe einen Auvergnaten,« setzte sie hinzu, »der Holz und Kohlen verkauft?«
    »An der Ecke der Rue Férou, da bekommen Sie, was Sie brauchen; das ist ein schöner Laden, mit gemalten Holzkloben in Bögen ringsherum, die Einen ordentlich einladen.«
    »Ich kann es von hier sehen«, sagte Frau Cardinal. Bevor sie endgültig wegging, hatte sie einen sehr schlauen Gedanken. Nachdem sie vorher Bedenken gehabt hatte, ob sie die Portiersfrau bei dem Kranken allein lassen könnte, sagte sie jetzt zu ihr:
    »Frau Perrache, nicht wahr, Sie lassen meinen guten Onkel nicht allein, bis ich zurück bin? ...«
    Man hat bemerken können, daß Cérizet in dieser Sache, die er in die Hand genommen hatte, noch zu keinem festen Entschlusse gekommen war. Die Rolle eines Arztes, die er im ersten Moment spielen wollte, hatte ihm schließlich Angst gemacht, und er hatte sich den Perraches nur als Sachwalter seiner Mitschuldigen vorgestellt. Einmal mit sich allein, hatte er sich die Sache besser überlegt und erkannt, daß sein Plan von vornherein durch einen Arzt, eine Krankenwärterin und einen Notar kompliziert wurde und ernsthafte Schwierigkeiten darbot. Ein ordnungsmäßiges Testament zu Gunsten der Frau Cardinal war keine Sache, die sich aus dem Ärmel schütteln ließ. An einen solchen Gedanken mußte man langer Hand den störrischen, argwöhnischen Geist des Bettlers gewöhnen, und der Tod konnte eintreten und im Handumdrehen die klügsten Vorbereitungen zunichte machen.
    Zweifellos überließ man, wenn man auf ein Testament des Sterbenden verzichtete, die Rente von achtzehnhundert Franken, die das ins Staatsschuldbuch eingetragene Kapital brachte, und das Haus in der Rue Notre-Dame de Nazareth allen gesetzlichen Erben; und Frau Cardinal, der er das Eigentum an diesen beiden Objekten hatte sichern wollen, würde davon nur den auf sie entfallenden Erbanteil bekommen; wenn man aber auf diesen offenkundigen Teil der Erbschaft verzichtete, so war das das sicherste Mittel, um sich des versteckten Teils zu bemächtigen. Im übrigen, wenn dieser vorher in Sicherheit gebracht war, was hinderte Einen daran, auf den Versuch mit dem Testamente zurückzukommen?
    Indem er also seiner »Operation« ein viel einfacheres Ziel setzte, beschränkte er sich auf das Manöver mit den Mohnköpfen, von dem er schon gesprochen hatte, und mit dieser einzigen Waffe versehen, schickte er sich an, zu Toupillier zurückzukehren und der Frau Cardinal neue Verhaltungsmaßregeln zu geben, als er ihr mit dem Korbe, den sie eben gekauft hatte, am Arm begegnete; in dem Korbe brachte sie schon das Allheilmittel des Kranken mit.
    »Wie denn,« sagte der Wucherer, »nennen Sie das auf Ihrem Posten sein?«
    »Ich habe doch weggehen und ihm Wein holen müssen«, antwortete die Cardinal. »Er schreit, als ob er am Spieße steckt, man soll ihn in Ruh lassen, er will allein sein und sein Getränk haben! Er hat sich in den Kopf gesetzt, der Mensch, daß der Roussillon, erste Qualität, das beste für seine Krankheit ist; ich bringe ihn ihm, damit er sich vollsaufen kann; wenn er betrunken ist, wird er sich vielleicht ruhiger verhalten.«
    »Sie haben recht«, sagte Cérizet nachdenklich.
    »Man darf Kranken niemals widersprechen; aber den Wein, sehen Sie, den muß man verbessern: wenn wir ihn damit versetzen,« (dabei hob er den einen Korbdeckel auf und steckte die Mohnköpfe hinein) »werden Sie dem armen Kerl einen hübschen kleinen Schlaf von wenigstens fünf bis sechs Stunden verschaffen; ich komme abends wieder, und dann wird uns, denke ich, nichts hindern, den Umfang der Hinterlassenschaft etwas genauer zu prüfen.«
    »Verstanden!« sagte Frau Cardinal und kniff ein Auge zu.
    »Also auf heute abend!« sagte der Wucherer, ohne die Unterhaltung weiter fortzusetzen.
    Er hatte das Gefühl, sich auf eine schwierige und verdächtige Sache eingelassen zu haben, und wünschte nicht gesehen zu werden, wie er sich mit seiner Mitschuldigen auf der Straße unterhielt.
    Als die Cardinal die Mansarde des Bettlers wieder betrat, fand sie ihn immer noch in der gleichen

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