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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Schlaftrunkenheit aufgerüttelt hatte.
    »Wein will ich haben!« antwortete der Bettler.
    »Wie geht es Ihnen denn, Papa Toupillier?« fragte Frau Perrache mit ihrer süßesten Stimme dazwischen.
    »Ich sage, daß ich Wein haben will!« wiederholte der Biedermann mit einer Energie, die man ihm bei seinem schwachen Zustande nicht zugetraut hätte.
    »Man müßte erst wissen, ob Ihnen das gut tut, Onkelchen«, sagte die Cardinal zärtlich.
    »Wir wollen doch erst hören, was der Arzt sagt.«
    »Der Arzt? Ich will keinen Arzt!« rief Toupillier; »und du, was machst du denn hier? Ich brauche niemanden.«
    »Lieber Onkel, ich möchte wissen, ob Sie nicht Appetit auf etwas haben; ich habe ganz frische Schollen; wie wäre das mit so einer kleinen Scholle mit etwas Zitrone?«
    »Eine nette Sorte, deine Fische,« antwortete Toupillier, »der reine Gestank! Der letzte, den du mir gebracht hast, vor mehr als sechs Wochen, der liegt noch in der Kommode, da kannst du ihn dir wieder holen.«
    »Mein Gott, sind diese Kranken undankbar!« sagte die Cardinal leise zu der Perrache.
    Gleichzeitig, um ihre Fürsorglichkeit zu beweisen, machte sie das Kopfkissen des Kranken zurecht und sagte:
    »So, Onkelchen; liegen wir so nicht besser?«
    »Laß mich in Ruh,« brüllte Toupillier wütend, »ich will allein sein; Wein will ich haben, und dann laß mich in Frieden!«
    »Seien Sie doch nicht so böse, Onkelchen, es wird ja gleich Wein für Sie geholt werden!«
    »Landwein, aus der Rue des Canettes!« schrie der Bettler.
    »Jawohl«, erwiderte die alte Cardinal; »aber lassen Sie mich nur ein bißchen mein Geld zählen. Ich möchte Ihnen doch diesen Keller hier ein wenig netter einrichten. Ein Onkel, das ist doch wie ein zweiter Vater, da darf es Einem schon nicht darauf ankommen!«
    Gleichzeitig setzte sie sich breitbeinig auf einen der beiden schadhaften Strohstühle und kramte auf ihre Schürze alles, was ihre Taschen enthielten, aus: ein Messer, ihre Tabaksdose, zwei Scheine des Pfandleihamtes, Brotkrusten und eine Menge Kupfergeld, aus dem sie schließlich einige Silberstücke herausfischte.
    Diese Ausstellung, die ihre edelmütigste und eifrigste Hingebung beweisen sollte, hatte keinen Erfolg. Toupillier schien sie nicht einmal bemerkt zu haben. Erschöpft von der fieberhaften Anstrengung, mit der er seinen Lieblings-Heiltrank verlangt hatte, machte er eine Anstrengung, sich umzudrehen, und nachdem er seinen beiden Krankenwärterinnen den Rücken gedreht, und nochmals: »Wein, Wein!« gemurmelt hatte, ließ er nichts weiter hören als röchelnde Töne, die die beginnende Atemnot verrieten.
    »Man wird ihm doch seinen Wein holen müssen!« sagte die Cardinal und steckte alles, was sie herausgeholt hatte, in ziemlich übler Stimmung wieder in ihre Taschen.
    »Falls Sie sich nicht selbst bemühen wollen, Mutter Cardinal? ...« sagte die Portiersfrau, immer eifrig bemüht, ihre Dienste anzubieten.
    Die Fischhändlerin zögerte einen Augenblick; aber da sie dachte, vielleicht etwas Näheres aus einer Unterhaltung mit dem Weinhändler erfahren zu können, und sie übrigens auch, solange Toupillier auf seinem Schatze lag, die Portiersfrau, ohne etwas befürchten zu müssen, mit ihm allein lassen konnte, sagte sie:
    »Danke, Frau Perrache! Ich muß mich ja doch daran gewöhnen, seine Lieferanten kennenzulernen.«
    Nachdem sie hinter dem Nachttisch eine schmutzige Flasche, die reichlich zwei Liter fassen konnte, gefunden hatte, fragte sie die Portiersfrau:
    »In der Rue des Canettes, sagten Sie?«
    »An der Ecke der Rue Guisarde«, antwortete die Perrache, »bei Herrn Legrelu; ein schöner großer Mann mit langem Backenbart und einer Platte.« Dann fügte sie leise hinzu:
    »Der Landwein, wissen Sie, ist Roussillon, erste Qualität. Übrigens weiß der Weinhändler Bescheid; es genügt, wenn Sie ihm sagen, daß Sie von seinem Kunden, dem Bettler von Saint-Sulpice, kommen.«
    »Sie brauchen mir nicht alles zweimal zu sagen«, erwiderte die Cardinal, öffnete die Tür und tat, als ob sie wegginge. »Ach ja,« sagte sie, nachdem sie wieder zurückgekommen war, »womit heizt er denn seinen Ofen? Es könnte irgendeine Medizin warmgehalten werden müssen.«
    »Ach,« antwortete die Portiersfrau, »er hat noch keine großen Vorräte für den Winter angeschafft; heute haben wir ja noch vollständigen Sommer ...«
    »Und nicht mal eine Kasserole, keinen Topf!« fuhr die Cardinal fort; »mein Gott, was ist das für eine Wirtschaft! Auch nichts, womit

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