Die Kleinbürger (German Edition)
Schlaftrunkenheit: sie verabschiedete die Frau Perrache und nahm an der Tür das Quantum kleingemachten Holzes in Empfang, das sie bei dem Auvergnaten in der Rue Férou bestellt hatte.
In eine irdene Kasserole, die sie sich besorgt hatte, und die in die Öffnung paßte, in die die armen Leute auf ihrem Ofen den Kochtopf stellen, goß sie zwei Drittel des Weins, den sie besorgt hatte, und warf die Mohnköpfe hinein; dann machte sie ein starkes Feuer darunter an, um schnell die besprochene Abkochung zu erhalten.
Das Prasseln des Feuers und die Wärme, die sich bald im Zimmer verbreitete, weckten Toupillier aus seinem Schlafzustande. Als er sah, daß sein Ofen brannte, rief er:
»Feuer hier? Ihr wollt wohl das Haus anstecken!«
»Aber Onkelchen,« erwiderte die Cardinal, »das Holz habe ich für mein Geld gekauft, um Ihren Wein anzuwärmen. Der Arzt hat verboten, daß Sie kalten trinken.«
»Wo ist der Wein?« fragte Toupillier jetzt, der sich bei dem Gedanken, daß nicht auf seine Kosten gekocht wurde, ein wenig beruhigt hatte.
»Er muß erst aufkochen«, antwortete seine Krankenwärterin; »Der Arzt hat's so angeordnet. Aber wenn Sie vernünftig sein wollen, werde ich Ihnen ein halbes Glas kalten geben, um Ihnen den Pips zu stechen. Ich nehme das auf meine Kappe, Sie werden es nicht weiter sagen!«
»Ich will keine Ärzte haben, das sind lauter Verbrecher, die die Leute töten!« schrie Toupillier, den die Aussicht auf sein Getränk munter gemacht hatte. »Nun, und wo ist der Wein?« fuhr er fort, mit dem Ton eines Menschen, dessen Geduld zu Ende ist.
Überzeugt davon, daß, wenn ihr Entgegenkommen ihm nicht schädlich war, es jedenfalls auch nicht heilsam sein konnte, füllte die Cardinal ein Glas zur Hälfte, und während sie es mit der einen Hand dem Kranken reichte, richtete sie ihn mit der andern auf, damit er trinken konnte.
Mit seinen fleischlosen habgierigen Fingern bemächtigte sich Toupillier des Glases und nachdem er es mit einem Zuge leergetrunken hatte, sagte er: »Ein guter Tropfen! Aber es ist doch noch Wasser drin!«
»Aber Onkelchen, das dürfen Sie nicht sagen! Ich hab' ihn selber beim alten Legrelu geholt und gebe ihn Ihnen so, wie ich ihn bekommen habe; aber lassen Sie mich nur den andern kochen; der Arzt hat gesagt, davon können Sie trinken, solange Sie Durst haben.«
Toupillier ergab sich achselzuckend darein, und nach einer Viertelstunde, nachdem die Mischung trinkfertig war, brachte ihm die Cardinal ohne weitere Aufforderung eine bis zum Rande gefüllte Tasse. Die Gier, mit der der Bettler trank, ließ ihn zuerst nicht merken, daß der Wein versetzt war; aber beim letzten Schluck spürte er einen faden, widerlichen Geschmack, warf die Tasse aufs Bett und schrie, man wolle ihn vergiften.
»Sehen Sie doch, was für Gift das ist!« antwortete die Händlerin und goß sich den Rest aus dem Gefäße in den Mund; dann erklärte sie dem Bettler, daß, wenn er den Wein anders als gewöhnlich finde, dies an seinem schlechten Geschmack im Munde läge.
Im Verlaufe dieses Disputs, der sich noch eine Zeitlang hinzog, begann das Narkotikum zu wirken, und nach einer Stunde war der Kranke in tiefen Schlaf versunken.
Während sie unbeschäftigt auf Cérizet wartete, kam der Cardinal eine gute Idee: sie dachte daran, daß es für die Erleichterung des erforderlichen Kommens und Gehens, wenn der geeignete Moment für das Fortschaffen des Schatzes gekommen sein würde, gut wäre, die Wachsamkeit der Perraches einzuschläfern. Sie rief daher, nachdem sie die Mohnköpfe in das Kloset geworfen hatte, die Portiersfrau herauf und sagte zu ihr:
»Kosten Sie doch mal seinen Wein, Mutter Perrache! Hätte man nicht geglaubt, er wollte ein Fäßchen austrinken? Und jetzt will er schon nach einer Tasse nicht mehr!«
»Auf Ihre Gesundheit«, sagte die Portiersfrau und stieß mit der Cardinal an, die ihr Bescheid tat, aber mit unversetztem Wein.
Kein so ausgesuchter Feinschmecker wie der Bettler, spürte die Perrache an der verfänglichen Flüssigkeit, die sie übrigens kalt geworden trank, keinerlei Beigeschmack, der sie ihre narkotische Wirkung hätte argwöhnen lassen. Im Gegenteil, sie erklärte, er sei wie »Sammet«, und bedauerte, daß ihr Mann nicht da war und sich an der Zeche beteiligen konnte.
Nach einem ziemlich langen Geschwätz trennten sich die beiden Klatschweiber. Dann nahm die Cardinal eine Mahlzeit, bestehend aus Aufschnitt, mit dem sie sich versorgt hatte, und dem Reste des Roussillons zu
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