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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Narkotikums verbleiben würde; und wenn die Nachforschungen nach dem Schatze nicht zu lange dauern würden, könnte nichts die Cardinal hindern, unter dem Vorwande, daß sie infolge einer plötzlichen Krise im Befinden des Kranken aus der Apotheke eine Arznei holen müsse, sich die Haustür öffnen zu lassen. Dabei wäre zu hoffen, daß die Perraches wie alle Portiers, die im ersten Schlafe gestört werden, den Türriegel vom Bette aus, ohne aufzustehen, aufziehen würden. Cérizet würde es dann möglich sein, gleichzeitig mit herauszuschlüpfen, und beide könnten schon beim ersten Weggang einen Teil des Geldes in Sicherheit bringen. Für das Wegschaffen des Restes würde sich dann am nächsten Tage schon leicht Rat schaffen lassen.
    Sehr tüchtig im Pläneschmieden, war Cérizet körperlich sehr schwächlich, und ohne die kräftige Unterstützung der Cardinal wäre es ihm niemals gelungen, das, was man jetzt den Kadaver des Extambourmajors nennen konnte, aus dem Bette zu heben. Vollkommen unempfindlich in seinem bleiernen Schlafe, war Toupillier eine leblose Masse geworden, mit der man glücklicherweise ohne viel Vorsichtsmaßregeln umgehen konnte. So gelang es der athletischen Frau Cardinal, deren Kräfte durch ihre Habgier verdoppelt wurden, trotz der mangelhaften Hilfe ihres Sachwalters ohne Unfall die Umbettung des Onkels zu bewirken, und das Bett war endlich ihrer glühenden Nachforschungsgier ausgeliefert.
    Zuerst fanden sie nichts, und die Fischhändlerin, zur Rede gestellt, wie sie sich vergewissert hätte, daß ihr Onkel wirklich, was sie am Morgen behauptet hatte, auf »hunderttausend Franken in Goldstücken« schliefe, mußte zugeben, daß die Unterhaltung mit den Perraches und ihre blühende Einbildungskraft beinahe die einzigen Unterlagen für ihre angebliche Gewißheit gewesen waren. Cérizet war wütend: Den ganzen Tag mit dem hoffnungsvollen Gedanken an ein Vermögen gespielt, sich auf ein zweifelhaftes und gefährliches Unternehmen eingelassen zu haben, und dann vor dem leeren Nichts zu stehen! Die Enttäuschung war so grausam, daß er sich zu tätlichen Gewaltmaßnahmen gegen seine zukünftige Schwiegermutter hätte hinreißen lassen, wenn er sich nicht vor ihrer Körperkraft gefürchtet hätte.
    So machte er seiner Wut wenigstens in Worten Luft. Derart gröblich beschimpft, begnügte sich die Cardinal mit der Antwort, daß ja noch nicht alles verloren sei, und mit einem Glauben, der Berge versetzen konnte, durchsuchte sie das Bett bis auf den Grund und schickte sich an, den Strohsack, den sie nach allen Richtungen hin abgefühlt hatte, zu entleeren; aber Cérizet erlaubte diese letzte Maßnahme nicht, indem er darauf hinwies, daß bei einem solchen Herausraffen zu viel Strohreste auf dem Fußboden liegen bleiben und Verdacht erregen könnten.
    Um sich nichts vorwerfen zu können, wollte die Cardinal, trotz des Widerspruchs Cérizets, der diese Mühe für lächerlich hielt, wenigstens noch den Boden des Bettes herausheben, und die Wut des Suchens mußte ihre Sinne aufs äußerste geschärft haben, denn während sie den hölzernen Rahmen herausholte, hörte sie, wie ein kleiner Gegenstand, der sich dabei losgelöst hatte, zu Boden fiel.
    Da sie dieser Kleinigkeit, die ein anderer gar nicht bemerkt haben würde, eine Bedeutung beilegte, die durch nichts gerechtfertigt zu sein schien, nahm die unermüdliche Nachforscherin sofort das Licht, und nachdem sie einige Zeit in dem Unflat aller Art, der den Fußboden bedeckte, herumgesucht hatte, fiel ihr schließlich ein kleines Stück poliertes Eisen von halber Daumenlänge in die Hand, dessen Zweck sie sich nicht erklären konnte.
    »Das ist ein Schlüssel!« rief Cérizet, der ziemlich gleichgültig herangetreten war, dessen Einbildungskraft nun aber im Galopp losging.
    »Aha! Sehen Sie?« sagte die Cardinal triumphierend; »aber wo soll denn der passen?« fuhr sie überlegend fort; »zu einem Puppenschrank?«
    »Durchaus nicht«, erwiderte Cérizet; »das ist eine neue Erfindung, und man kann die dicksten Schlösser mit solch einem kleinen Instrument öffnen.«
    Gleichzeitig prüfte er mit raschem Blick alle Möbel des Zimmers, ging zu der Kommode, deren sämtliche Schubladen er herauszog, sah in den Ofen und in den Tisch hinein; aber nirgends war die Spur von einem Schlosse zu finden, zu dem der Schlüssel hätte passen können.
    Plötzlich kam der Cardinal eine Erleuchtung.
    »Warten Sie!« sagte sie, »mir ist aufgefallen, daß der alte Schlaukopf

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