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Die kleine Hexe

Die kleine Hexe

Titel: Die kleine Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otfried Preußler
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grimmige Gesichter, dass ihm der angeklebte Schnurrbart nicht halten wollte und immer wieder herunterfiel.
    „Siehst du die kleine Hexe dort?", fragte Abraxas nach einer Weile.
    „Wo denn?"
    „Na, dort vor dem Spritzenhaus! Die mit dem langen Besen!"
    „Ach ja!", rief die kleine Hexe, „Die muss ich mir gleich aus der Nähe begucken!"
    Sie lief zu der Fastnachtshexe und sagte: „Guten Tag!"
    „Guten Tag!", sagte die Fastnachtshexe. „Bist du vielleicht meine Schwester?"
    „Schon möglich", sagte die richtige kleine Hexe. „Wie alt bist du denn?"
    „Zwölf Jahre. - Und du?"
    „ Einhundertsiebenundz wanzigeinhalb."
    „Das ist gut!", rief die Fastnachtshexe. „Das muss ich mir merken! Von nun an sage ich, wenn mich die Kinder nach meinem Alter fragen: Zweihundert -neunundfünfzigdreiviertel!"
    „Ich bin aber wirklich so alt!" „Ja, ich weiß, du bist wirklich so alt! Und du kannst ja auch wirklich hexen und auf dem Besen reiten!"

    „Und ob ich das kann!", rief die richtige kleine Hexe. „Was wetten wir?"
    „Wetten wir lieber gar nichts", sagte die Fastnachtshexe. „Du kannst es ja doch nicht."
    „Was wetten wir?", fragte die richtige kleine Hexe noch einmal.
    Da lachte die Fastnachtshexe und rief: „Ihr Chinesenmädchen, kommt her! Und ihr Türken und Neger, kommt auch her! Kommt alle her, Wüstenscheich, Eskimofrauen und Menschenfresser! Hier steht eine kleine Hexe, die kann auf dem Besen reiten!"
    „Nicht möglich!", sagte der Kasperl.
    „Doch, doch!", rief die Fastnachtshexe. „Sie hat mit mir wetten wollen! Nun soll sie mal zeigen, ob sie die Wahrheit gesagt hat!"
    Im Nu waren beide Hexen von allen Kindern umringt. Der Schornsteinfeger und der Räuberhauptmann Jaromir, der Kasperl und die Indianer, der Hottentottenhäuptling, die Türken und Negerlein - alle drängten sich lachend und schreiend auf einen Haufen.
    „Halte uns nicht zum Narren!", riefen die Eskimofrauen.
    „Wir binden dich sonst an den Marterpfahl!", drohte der Indianer Blutige Wolke.
    „Wenn du geschwindelt hast", brüllte der Menschenfresser, „dann werde ich dich zur Strafe auffressen! Hörst du? Du musst nämlich wissen, ich habe Hungärrr!"

    „Friss mich nur ruhig auf, wenn du Hunger hast", sagte die kleine Hexe, „Aber du musst dich dazuhalten, weil ich sonst weg bin!"
    Da wollte der Menschenfresser die kleine Hexe beim Kragen packen. Aber die kleine Hexe war schneller, Sie sprang auf den Besen - und hui!, war sie hoch in den Lüften.
    Der Menschenfresser plumpste vor Schreck auf den Allerwertesten. Negern und Türken, Chinesenmädchen und Eskimofrauen verschlug es die Sprache. Dem Wüstenscheich fiel der Turban herunter, der Räuberhauptmann vergaß das Grimassenschneiden. Blutige Wolke, der tapfere Indianerkrieger, erblasste unter der Kriegsbemalung. Die Negerlein wurden käsebleich; doch das sah ihnen keiner an, denn sie hatten sich die Gesichter ja glücklicherweise mit Ofenruß eingeschmiert.
    Die kleine Hexe ritt lachend rund um den Dorfplatz. Dann setzte sie sich auf den Giebel des Spritzenhauses und winkte hinunter.
    Der Rabe Abraxas hockte auf ihrer Schulter und krächzte: „He, ihr dort unten! Glaubt ihr nun, dass sie hexen kann?"
    „Aber ich kann noch viel mehr hexen!", sagte die kleine Hexe, „Der Menschenfresser hatte doch solchen Hunger ..."
    Sie spreizte die Finger und murmelte etwas. Da prasselte auf den Dorfplatz ein Regen von Fastnachtskrapfen und Pfannkuchen nieder! Jubelnd und jauchzend stürzten sich alle Kinder auf die fetten Bissen und aßen sich daran satt. Auch der Menschenfresser verschmähte die Krapfen nicht, obwohl es doch eigentlich gegen seine Gewohnheit war.
    Nur die Fastnachtshexe aß nichts davon. Sie schaute der richtigen kleinen Hexe nach, die jetzt kichernd auf ihrem Besen davonritt, und dachte: Nein, so etwas, so etwas! Am Ende stimmt es nun doch, dass sie einhundertsiebenundzwanzigeinhalb Jahre alt ist ...

Fastnacht im Wald
    „Fastnacht", meinte an diesem Abend der Rabe Abraxas, als sie daheim in der warmen Stube saßen und warteten, bis die Bratäpfel gar wären, „Fastnacht ist eine famose Sache! Nur schade, dass es bei uns im Wald keine Fastnacht gibt!"
    „Fastnacht im Wald?", fragte die kleine Hexe und blickte von ihrem Strickstrumpf auf. „Warum soll es bei uns im Wald keine Fastnacht geben?"
    Da sagte der Rabe: „Das weiß ich nicht. Aber es ist einmal so und es lässt sich nicht ändern."
    Die kleine Hexe lachte in sich hinein, denn ihr war bei den Worten des

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