Die kleine Hexe
zugefroren und von den Wirtshausschildern hingen lange Eiszapfen.
Auf dem Marktplatz stand eine schmale, grün gestrichene Holzbude, Davor stand ein eisernes Öfchen; und hinter dem Öfchen stand, mit dem Rücken zur Bude, ein kleines, verhutzeltes Männlein. Das trug einen weiten Kutschermantel und Filzschuhe. Den Kragen hatte es hochgeklappt und die Mütze hatte es tief ins Gesicht gezogen. Von Zeit zu Zeit nieste das Männlein. Die Tropfen fielen dann stets auf die glühende Ofenplatte und zischten.
„Was machst du da?", fragte die kleine Hexe das Männlein.
„Siehst du das nicht? Ich - haptschi! - ich brate Maroni."
„Maroni? Was ist das?"
„Kastanien sind es", erklärte das Männlein. Dann hob es den Deckel vom Öfchen und fragte sie: „Möchtest du welche? Zehn Pfennig die kleine Tüte und zwanzig die große. Ha-a-ptschi!"
Der kleinen Hexe stieg der Duft der gerösteten Kastanien in die Nase. „Ich möchte ganz gern einmal davon kosten, aber ich habe kein Geld mit."
„Dann will ich dir ausnahmsweise ein paar umsonst geben", sagte das Männlein. „Bei dieser Bärenkälte wirst du was Warmes vertragen können. Haptschi, dass es wahr ist!"
Das Männlein schnäuzte sich in die Finger. Dann langte es eine Handvoll Kastanien aus dem Bratrohr und tat sie in eine Tüte von braunem Packpapier. Die gab es der kleinen Hexe und sagte: „Da, nimm sie! Aber bevor du sie in den Mund steckst, musst du sie abschälen."
„Danke schön", sagte die kleine Hexe und kostete. „Hm, die sind gut!", rief sie überrascht; und dann meinte sie: „Weißt du, dich könnte man fast beneiden! Du hast eine leichte Arbeit und brauchst nicht zu frieren, weil du am warmen Ofen stehst."
„Sag das nicht!", widersprach das Männlein. „Wenn man den ganzen Tag in der Kälte steht, friert man trotzdem. Da hilft auch das eiserne Öfchen nichts. Daran verbrennt man sich höchstens die Finger, wenn man die heißen Maroni herausholt. - Hapt-schi! - Aber sonst? Meine Füße sind ein Paar Eiszapfen, sage ich dir! Und die Nase erst! Ist sie nicht rot wie eine Christbaumkerze? Den Schnupfen werde ich nicht mehr los. Es ist zum Verzweifeln!"
Wie zur Bekräftigung nieste das Männlein schon wieder. Es nieste so herzzerreißend, dass die Holzbude wackelte und der Markt davon widerhallte.
Da dachte die kleine Hexe: Dem können wir abhelfen! Wart mal ... Und sie murmelte einen Zauberspruch, aber heimlich.
Dann fragte sie: „Ist dir noch immer kalt an den Zehen?"
„Im Augenblick nicht mehr", sagte das Männlein. „Ich glaube, die Kälte hat etwas nachgelassen. Ich merke es an der Nasenspitze. Wie kommt das nur?"
„Frag mich nicht", sagte die kleine Hexe, „ich muss jetzt nach Hause reiten."
„Nach Hause - reiten?\"
„Habe ich etwas von reiten gesagt? Du wirst dich verhört haben."
„Muss wohl so sein", überlegte das Männlein. „Auf Wiedersehen!"
„Auf Wiedersehen", sagte die kleine Hexe. „Und danke schön!"
„Bitte sehr, bitte sehr, keine Ursache!"
Bald danach kamen zwei Buben über den Marktplatz gelaufen, die riefen: „Schnell, schnell, Herr Maronimann! Jedem von uns für ein Zehnerl!"
„Jawohl, bitte schön, zweimal für ein Zehnerl!"
Der Maronimann griff in das Bratrohr.
Aber zum ersten Mal in seinem ganzen langen Maronimannleben verbrannte er sich an den heißen Kastanien nicht die Finger. Er verbrannte sie sich überhaupt nie mehr. Und es fror ihn auch nie mehr an den Zehen. Und auch an der Nase nicht. Der Schnupfen war für alle Zeiten wie weggeblasen/Und wenn er doch einmal wieder niesen wollte, so musste der gute Maronimann eine Prise Schnupftabak nehmen.
Besser als sieben Röcke
Als die kleine Hexe ums Dunkelwerden wieder nach Hause kam, wollte der Rabe Abraxas gleich wissen, wie es ihr auf dem Ausritt ergangen sei. Aber die kleine Hexe entgegnete zähneklappernd: „D-das w-will ich dir sp-päter erzählen. Zuallererst m-muss ich mir einen T-Tee kochen, w-weil mir so k-kalt ist, d-dass ich k-kaum sp-prechen kann."
„Siehst du wohl!", krächzte Abraxas, „das hast du nun davon, dass du bei dieser Hundekälte unbedingt ausreifen musstest! Aber du hast ja nicht auf mich hören wollen!"
Die kleine Hexe kochte sich einen großen Topf Kräutertee. Den süßte sie mit viel Zucker. Dann schlürfte sie von dem heißen Gebräu. Das tat ihr sehr wohl und bald wurde ihr wieder wärmer. Da zog sie die sieben Röcke bis auf den untersten aus, streifte Schuhe und Strümpfe ab, fuhr in die Filzpantoffeln und
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