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Die kleine Schwester

Die kleine Schwester

Titel: Die kleine Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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langsam. »Ich habe ihn gewarnt«, sagte sie. »Mehr als einmal.«
    »Amigo«, sagte ich.
    »Was?«
    »Sie sprechen nicht viel Spanisch, oder? Vielleicht können Sie sonst nichts. Das
    >Amigo< ist schon abgewetzt.«
    »Es soll doch nicht wieder wie gestern werden, nicht wahr?« sagte sie langsam.
    »Nein, es soll nicht. Das einzige >Mexikanische< an Ihnen sind ein paar Worte und eine umständliche Art zu reden, damit man denken soll, es sei jemand, der die Sprache erst lernen mußte. Jemand, der >nicht wahr< sagt, was sonst kein Mensch sagt, normalerweise.«
    Sie antwortete nicht. Sie paffte leicht an ihrer Zigarette und lächelte.
    »Ich habe großen Arger in der Stadt«, fuhr ich fort. »Anscheinend war Miss Weld vernünftig genug, es ihrem Chef zu erzählen - Julius Oppenheimer -, und der unternahm etwas. Besorgte ihr Lee Farrell. Ich glaube nicht, daß sie glauben, daß sie Steelgrave erschossen hat. Aber sie glauben, daß ich weiß, wer ihn erschossen hat, und sie mögen mich nicht mehr.«
    »Und weißt du es, Amigo?«
    »Ich hab Ihnen doch am Telefon gesagt, ich weiß es.«
    Sie sah mich lange und gleichmäßig an. »Ich war dort.« Diesmal hatte ihre Stimme einen trockenen und ernsten Klang.
    »Es war wirklich ziemlich komisch. Das kleine Mädchen wollte mal eine Spielhölle sehen. Sie hatte noch nie so was gesehen, und in der Zeitung hatte . . .«
    »Wohnte sie hier - bei Ihnen?«
    »Nicht in meinem Apartment, Amigo. In einem Zimmer, das ich hier für sie besorgt habe.«
    »Kein Wunder, daß sie mir's nicht erzählen wollte«, sagte ich. »Aber Sie haben sicher keine Zeit gehabt, ihr das Geschäft beizubringen.«
    Sie runzelte ein bißchen die Stirn und bewegte die braune Zigarette durch die Luft. Ich beobachtete die Schrift des Rauches, eine unleserliche Schrift.
    »Bitte, laß das. Wie gesagt, sie wollte in dieses Haus. Also rief sie ihn an, und er sagte, er würde auch kommen. Als wir hinkamen, war er betrunken. Ich habe ihn nie vorher betrunken gesehen. Er lachte, legte seinen Arm um Klein-Orfamay und sagte zu mir, sie hätte ihr Geld wirklich verdient. Er sagte, er hätte was für sie, dann zog er ein Bündel Geldscheine aus seiner Tasche, das in ein Stück Stoff gewickelt war. Als sie es auswickelte, war ein Loch in dem Stoff, und das Loch war mit Blut befleckt.«
    »Das war nicht nett«, sagte ich. »Ich würde nicht mal sagen, es war typisch.«
    »Sie kannten ihn nicht sehr gut.«
    »Stimmt auch wieder. Weiter.«
    »Klein-Orfamay nahm das Geldbündel, starrte es an, starrte dann ihn an, und ihr kleines weißes Gesicht war sehr still. Dann dankte sie ihm, öffnete ihre Tasche, um das Geld reinzustecken - wie ich glaubte -, es war alles sehr merkwürdig ... «
    »Zum Schreien«, sagte ich. »Ich hätte am Boden gelegen vor Lachen. «
    »- aber statt dessen nahm sie einen Revolver aus ihrer Tasche. Es war ein Revolver, den er Mavis gegeben hatte, glaube ich. Er sah aus wie ... «
    »Ich weiß genau, wie er aussah«, sagte ich. »Ich hatte ein paar davon, zum Spielen.«
    »Sie drehte sich um und erschoß ihn mit einem Schuß. Es war sehr dramatisch.«
    Sie steckte die braune Zigarette wieder in ihren Mund und lächelte mich an. Ein sonderbares, abwesendes Lächeln, als dächte sie an etwas, das weit weg war.
    »Sie haben sie dazu gebracht, daß sie es Mavis Weld gestand«, sagte ich.
    Sie nickte.
    »Ihnen hätte Mavis wohl nicht geglaubt.«
    »Ich wollte es nicht darauf ankommen lassen.«
    »Es waren nicht zufällig Sie, die Orfamay die Tausend gegeben hat, oder - Liebling?
    Damit sie es sagte? Sie ist so ein kleines Mädchen, das für tausend Dollar allerhand machen würde.«
    »Darauf gebe ich keine Antwort«, sagte sie würdevoll.
    »Nein. Und gestern abend, als Sie mich da rausgebracht haben, da wußten Sie schon, daß Steelgrave tot war und nichts mehr zu befürchten war, und das ganze Theater mit dem Revolver war nur Theater.«
    »Ich spiele nicht gern den lieben Gott«, sagte sie weich. »Es war eben diese Situation, und ich wußte, irgendwie würden Sie Mavis da heraushelfen. Es gab sonst niemanden, der das konnte. Mavis wollte unbedingt die Schuld auf sich nehmen.«
    »Ich hätte doch gern einen Drink«, sagte ich. »Ich bin kaputt.«
    Sie sprang auf und ging zu dem kleinen Kühlfach. Sie kehrte mit ein Paar riesengroßen Gläsern voll Scotch und Wasser zurück. Sie reichte mir eines und beobachtete mich über das Glas, als ich probierte. Es war herrlich, und ich trank etwas mehr. Sie versank

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