Die kleine Schwester
Bild geknipst wurde, so wußte er doch, wer Quest war. Er muß es gewußt haben. Quest hatte seine Schwester wegen Geld angezapft, seit er arbeitslos war, vielleicht schon vorher. Steelgrave hatte einen Schlüssel für ihr Apartment. Er muß also irgendwas über diesen Bruder gewußt haben. Aus alle dem läßt sich ableiten: gerade in dieser Nacht hätte Steelgrave Stein bestimmt nicht erschossen - auch wenn er es ursprünglich wollte.«
»Und jetzt muß ich wohl fragen, wer es dann war«, sagte sie höflich.
»Jemand, der Stein kannte und an ihn herankonnte. jemand, der schon wußte, daß das Foto geknipst worden war, der wußte, wer Stein war, der wußte, daß Mavis Weld nahe dran war, ein großer Star zu werden, der wußte, daß ihr Umgang mit Steelgrave gefährlich war, und wußte, daß es noch tausendmal gefährlicher wäre, wenn man Steelgrave den Mord an Stein anhängen würde. jemand, der Quest kannte, weil er ihm in Mavis Welds Apartment begegnet war und ihn dort zusammengestaucht hatte - und der war ein junge, der durch eine solche Behandlung aus jeder Fassung gebracht wurde. Der wußte, daß diese -32er mit den Elfenbeingriffen auf den Namen Steelgrave registriert waren, obwohl er sie nur als Geschenk für einige Mädchen gekauft hatte, und er selbst, wenn er einen Revolver trüge, sie nicht registriert hätte, damit sie nicht mit ihm in Verbindung gebracht werden konnte. Der wußte ... «
»Halt!« Ihre Stimme war ein scharfes Messer, aber weder furchtsam noch zornig.
»Hören Sie Jetzt sofort auf bitte! Ich kann das keine Minute länger anhören. Gehen Sie jetzt!«
Ich stand auf. Sie war zurückgelehnt, an ihrem Hals pulsierte das Blut. Sie war hinreißend, sie war dunkel, sie war tödlich. Und nichts konnte ihr etwas anhaben, nicht einmal das Gesetz ...
»Warum haben Sie Quest getötet?« fragte ich sie.
Sie stand auf und trat auf mich zu, jetzt wieder lächelnd.
»Aus zwei Gründen, Amigo. Er war etwas mehr als ein bißchen irre - er hätte am Ende mich getötet. Und der andere Grund ist, daß es in der ganzen Sache nicht ums Geld ging, absolut nicht ums Geld. Es ging um Liebe.«
Ich war nahe dran, ihr ins Gesicht zu lachen. Aber ich lachte nicht. Sie war todernst. Es war wirklich das Letzte!
»Wie viele Männer eine Frau auch haben mag«, sagte sie sanft, »immer gibt es einen, den sie unter keinen Umständen an eine andere Frau verlieren kann. Er war es.«
Ich starrte ihr nur in ihre herrlichen dunklen Augen. »Ich glaube Ihnen«, sagte ich schließlich.
»Küß mich, Amigo.«
»Lieber Gott!«
»Ich brauche Männer, Amigo. Aber der Mann, den ich geliebt habe, ist tot. Ich habe ihn getötet. Ich wollte ihn mit niemandem teilen.«
»Da haben Sie lange gewartet.«
»Ich bin nicht ungeduldig - solange es Hoffnung gibt.«
»Blödsinn.«
Sie lächelte ein schönes, freies, absolut natürliches Lächeln. ~Und du, mein Herzchen, du kannst in der ganzen Sache nichts mehr tun, außer du willst Mavis Weld endgültig kaputtmachen.«
»Gestern abend hat sie gezeigt, daß sie bereit war, sich selbst kaputtzumachen.«
»Falls sie nicht Theater gespielt hat.« Sie sah mich scharf an und lachte. »Das hat weh getan, nicht wahr? Du liebst sie.«
Ich sagte langsam: »Das wäre ziemlich idiotisch. Ich könnte mit ihr im Dunkeln sitzen und Händchen halten, aber wie lange? Nach einiger Zeit wird sie doch abschwimmen, in den schimmernden Dunst von Luxus, teuren Kleidern, Seichtheit, Unwirklichkeit und wohldosiertem Sex. Sie wird kein wirklicher Mensch mehr sein. Nur eine Stimme von der Tonspur, ein Gesicht auf der Leinwand. Ich brauche mehr als das.«
Ich bewegte mich dem Ausgang zu, ohne ihr den Rücken zuzukehren. Nicht, daß ich einen Schlag erwartete. Ich glaubte, sie wollte mich lieber so, wie ich war - unfähig, irgend etwas in der Angelegenheit zu tun.
Ich schaute zurück, als ich die Tür öffnete. Schlank, dunkel und mit einem schönen Lächeln. Sex aus allen Poren. Absolut jenseits aller moralischen Regeln oder sonst einer vorstellbaren Welt.
Sie war schon was Tolles. Ich ging ruhig hinaus. Sehr leise erreichte mich ihre Stimme, als ich die Tür schloß.
»Querido - ich habe Sie sehr gern gehabt. Es ist ein Jammer.«
Ich schloß die Tür.
Als der Fahrstuhl im Erdgeschoß hielt und die Tür aufging, stand ein Mann und wartete.
Er war groß und dünn, und sein Hut war tief über seine Augen gezogen. Es war ein warmer Tag, aber er trug einen dünnen Mantel mit hochgeschlagenem Kragen.
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