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Die kleine Schwester

Die kleine Schwester

Titel: Die kleine Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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Sein Kinn hatte er eingezogen.
    »Dr. Lagardie«, sagte ich leise.
    Er warf einen Blick auf mich, ohne mich zu erkennen. Er betrat den Lift. Ich beeilte mich.
    Ich ging rüber zum Empfangspult und hieb auf die Klingel. Der dicke, fette, weiche Mann kam heraus und stand da mit einem schmerzhaften Lächeln auf dem schlaffen Mund. Seine Augen waren nicht ganz so hell.
    »Das Telefon!«
    Er griff nach unten und stellte es auf die Theke. Ich wählte Madison 7911. Die Stimme sagte: »Polizei.« Es war der Notruf.
    »Chateau Bercy Apartments, Ecke Franklin und Girard in Hollywood. Ein Mann namens Dr. Vincent Lagardie ist gerade in das Apartment 412 gegangen. Er wird von den Beamten der Mordkommission French und Beifus zum Verhör gewünscht. Hier spricht Philip Marlowe, ein Privatdetektiv.«
    »Ecke Franklin und Girard. Warten Sie dort bitte. Sind Sie bewaffnet?«
    »Ja.«
    »Halten Sie ihn fest, wenn er versucht zu entkommen.«
    Ich legte auf und wischte mir den Mund. Der dicke Weichling lehnte an der Theke, blaß um die Augen.
    Sie kamen schnell, aber nicht schnell genug. Vielleicht hätte ich ihn anhalten sollen.
    Vielleicht hatte ich eine Ahnung, was er tun wollte, und ließ es ihn einfach tun.
    Manchmal, wenn ich deprimiert bin, versuche ich mir klar darüber zu werden. Aber es ist zu kompliziert. Die ganze verdammte Affäre war so. An keinem Punkt konnte ich einfach normal und selbstverständlich handeln, gleich mußte ich wieder anhalten und mir den Kopf zerbrechen, wie es sich nun wieder auf irgend jemanden auswirken würde, dem ich etwas schuldete.
    Als sie die Tür aufbrachen, saß er auf der Couch und hielt sie an sein Herz gedrückt.
    Seine Augen waren blind, und blutiger Schaum stand auf seinen Lippen. Er hatte sich die Zunge durchgebissen.
    Unter ihrer linken Brust, dicht an der feuerfarbenen Bluse, steckte der Silbergriff eines Messers, das ich schon mal gesehen hatte. Der Griff hatte die Form einer nackten Frau.
    Die Augen von Miss Dolores Gonzales standen halb offen, und auf ihren Lippen war ein schwacher Hauch eines herausfordernden Lächelns.
    »Das Lächeln des Hippokrates«, sagte der Ambulanzarzt und seufzte. »Es steht ihr gut.«
    Er warf einen Blick auf Dr. Lagardie, der nichts sah und nichts hörte, wenn man nach seinem Gesicht urteilte.
    »Ich glaube, hier ging ein Traum zu Ende«, sagte der Arzt. Er beugte sich vor und drückte ihr die Augen zu.

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