Die kleinen Freuden des Lebens
Lärm vorhanden und auch mehr Euphorie. Eine neue Wohnung bietet einen Kosmos der Möglichkeiten, gar eine
kleine Wiedergeburt. Die Neulinge lassen Kisten fallen, um die Alteingesessenen zu begrüßen, welche einen wohlwollend kritischen Blick aufs Mobiliar werfen, das sich im Hauseingang
stapelt.
Und schließlich ist die Einzugsfeier am Schwarzen Brett angeschlagen, zu der alle Nachbarn zumindest pro forma eingeladen
sind. Der Satz »Für eventuell auftretenden Lärm bitten wir im Voraus um Verständnis« ist in Deutschland obligatorisch.
Perfekt. Besser kann es gar nicht kommen. Eine Party bei einem neuen Nachbarn ist die stressfreieste Variante sozialer Interaktion.
Während man bei einer Party bei Freunden, Bekannten oder gar Geschäftspartnern irgendwie in der Pflicht steht, zum Gelingen
beizutragen, kann man sich hier zurücklehnen und den Abend kommen lassen. Die Verantwortung liegt ganz beim Gastgeber. Für
den Gast ist es Kino: Er kann möglichst viele Chips und Schnittchen in sich hineinstopfen und beobachten, wie die neuen Nachbarn
verzweifelt versuchen, sich all die Namen einzuprägen, jeden mit Getränken zu versorgen und in drei Gesprächsrunden gleichzeitig
zu erklären, was sie denn so machen (und wer ahnt denn schon, was ein Key Account Manager für spannende Dinge erlebt!). Natürlich
ist man kein Unmensch. Man nimmt den neuen Nachbarn bei der Hand, hört interessiert zu, wie er von seinen Problemen mit den
Handwerkern berichtet, und warnt ihn vor der verrückten alten Schachtel im vierten Stock, die gern mal nachts mit der Polizei
droht. Man ist eben doch ein soziales Wesen. Und dieses Gefühl von nahezu ehrlich gemeintem Altruismus lässt einen ein klein
wenig beschwingter treppab nach Hause gleiten.
Das erste Getränk im Freien
D as Kapitel müsste korrekterweise heißen »Das erste Bier im Freien«, doch es gibt ja schon das Pils-Kapitel, und der Autor
möchte keinen falschen Eindruck über seine Trinkgewohnheiten erwecken. Aber wir reden hier natürlich über Bier, denn alles
andere ist entweder kein primäres Getränk für den Genuss unter freiem Himmel (Wein) oder kein Getränk (Wasser).
Meine Freunde und ich nennen das erste Bier des Jahres in der Sonne »Draußenbier«, und kaum ist im März oderApril ein schönes
Wochenende in Sicht, dann hocken wir uns vor eine Gaststätte, bestellen drei Helle oder Weißbiere (im Freien weiche ich von
meiner Bitte-nur-Pils-Regel gern ab) und stoßen an aufs erste Draußenbier, und so wie andere den Karneval, Ostern oder ähnlich
verschiebbare Feste feiern, ist für uns dieses Datum der tatsächliche Beginn des Frühjahrs, ja des Jahres selbst.
In München kann man es sich auch einfacher machen, denn dort gibt es den schönen Biergarten »Seehaus am Englischen Garten«,
den nur Angeber meiden, weil er ihnen »zu touristisch« ist (dieselben Angeber sagen auch Dinge wie »samstags gehe ich nie
aus, da ist es doch viel zu voll mit Landeiern«). Er liegt direkt an dem zu dieserJahreszeit meist noch zugefrorenen künstlichen See. Im Sommer ist der See von Tret- und Ruderbooten bevölkert. Im Winter wird
er zu einem Treff der Kinder, Eisstockschützen und Schlittschuhläufer. Der Biergarten macht an schönen Winterwochenenden auf
und schenkt Glühwein und, ja, auch Bier aus. So kann man das erste Draußenbier schon im Januar genießen, aber wir haben uns
darauf geeinigt, dass das nicht zählt.
Mittagspause im Stadtpark
W as deswegen ein Glücksmoment ist, weil es bedeutet, dass das Büro nicht in einem Industriegebiet fünfzehn Kilometer außerhalb
jedes Wohngebietes liegt.
Sich auf den Winter freuen
I ch weiß nicht, zu welcher Jahreszeit Sie dieses Buch lesen, aber es ist Zeit, eine Lanze zu brechen für eine verpönte Jahreszeit.
Wenn es, während Sie diese Zeilen goutieren, zwischen April und November ist, dann kann ich Sie nur beglückwünschen. Freuen
Sie sich auf den baldigen Winter! Und wenn Sie das Buch punktgenau zum Erscheinungstermin im Winter lesen – umso besser! Ich
weiß, der Winter hat es nicht leicht in dieser schneefeindlichen Zeit. Der Winter ist unpraktisch, deswegen ist er heutzutage
nicht wohlgelitten. Er verlangsamt den morgendlichen Weg zur Arbeit, er sorgt für Staus und Oberschenkelhalsbrüche, er lähmt
per Grippewelle die Aktivität der Volkswirtschaft, sorgt für atemberaubend steigenden Energieverbrauch und fallende Börsenkurse.
Dennoch: Der Gedanke an den
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