Die kleinen Freuden des Lebens
auch das heimische Sofa, mit oder ohne Freunde, mit
oder ohne Fernseher. Aber wenn man schon mal in einem Hotel nächtigen und einen Schlummertrunk auf der bereits von sehr vielen
Menschen benutzten Matratze zu sich nehmen muss (Bier im Bett in der Fremde – das kann mitunter ein stiller Glücksmoment sein),
dann ist der Anblick einer überquellenden Minibar ein sehr beruhigender. Das mit dem Überquellen geht ja schnell, denn die
Kühlschränke sind nie größer als Schuhkartons. Auf keinen Fall sollte man sich zum Trinken in die Hotelbar setzen. »Hotelbar«
könnte gut eine Kapitelüberschrift in einem Nachfolgeband dieses Buches heißen: »Die 100 deprimierendsten Orte der Welt, an
denen Sie weiß Gott jeden Glücksmoment brauchen, den Sie selbst erzeugen können.« Der Autor, der bereits, überschlägig gerechnet,
in 200 Hotels jeglicher Kategorie geschlafen hat, hat noch nie eine Hotelbar gefunden, die nur annähernd das ausstrahlte, was man
gemeinhin mit »Leben« umschreibt.
Es bleibt: die Minibar auf dem Zimmer. Am schlimms-
ten sind die ganz teuren oder die ganz neuen Hotels. In beiden bin ich als Reisejournalist oft untergebracht. Ganz teure oder
ganz neue Hotels wollen sich oft dadurch hervorheben, dass sie ein »Konzept«, ein »Ideal« verfolgen, eine neue Idee, den großen
Wurf – statt den Gast einfach nur in Ruhe schlafen zu lassen. Neben viel esoterischem Gerümpel ist es immer noch der nicht
totzukriegende Wellnessgedanke, der das Gastgewerbe umwölkt und auf die krudesten Gedanken bringt. Und so gibt es in einem
süddeutschen Fünfsterne-Hotel, das gern auch mal von meinen Kollegen zum besten Hotel Deutschlands gewählt wird, in der Minibar
nur zwei Getränke: eine Flasche stilles Mineralwasser und eine Flasche kohlensäurehaltiges Mineralwasser. Aber dafür natriumarm.
In Trend- oder Designhotels stehen tatsächlich oft alkoholreduzierte oder -befreite Biere in der Minibar, weil das gut zum
hippen Gesamteindruck passt. Spaß light sozusagen. Menschen, die alkoholreduziert trinken, gehen am Abend Hummer essen und
hungern dann drei Tage, um den Cholesterinspiegel zu senken – so hab ich sie gern, die Designhotelsektierer. Wobei ich der
Fairness halber sage, dass ich seit neuestem ab und zu mal ein alkoholreduziertes Weißbier trinke, und ich muss zugeben, dass
die Lebensmitteltechnologen von Paulaner und Schneider da eine gute Arbeit abgeliefert haben. Aber abends, nach achtzehn Stunden
Reise, drei Grenzen von der Heimat entfernt und einem unverschämt großen Insekt in der unbeleuchteten Ecke? Ach nö.
Meine ideale Minibar ist mit drei Bieren und vier Tafeln Schokolade besetzt, und bei der Schokolade bitte ich recht herzlich
um Massentauglichkeit und nicht um Quatschwie Kokossplitter oder Mandel-Trauben-Cashewnuss. Mehr braucht es nicht, um mich zu einem glücklichen Gast zu machen. Und
drei Biere reichen genau, um die Zimmermädchen zu ignorieren, die einander morgens um 7 auf den Fluren in geheimnisvoller
Sprache allerlei zuschreien.
Lesen in der Badewanne
U npraktisch und fast nicht zu machen. Eine Zeitung geht sowieso nicht, ein Buch wird wellig. Aber so ein Trash-Thriller neben
dem Becken kann das bisschen Feuchtigkeit schon ertragen.
Die Hände an einem Kamin wärmen
U nd dabei dem Feuer zuschauen und hier und da ein bisschen kokeln. Das gefiel mir schon, als ich drei war.
Eine Einladung der neuen Nachbarn
Z uerst hängt ein Zettel an der Tür: »Bitte bei Karstensen klingeln.« Aha, denkt sich der Sherlock Holmes der Mietshäuser:
Ein Immobilienhai sucht seine Opfer. Und tatsächlich: Am nächsten Morgen macht man sich auf den Weg zum Zeitungskiosk, und
unten an der Tür steht eine Menschenmeute. Die Wohnung war also inseriert, der Besichtigungstermin ist auf Samstag, 10 Uhr, festgelegt. Schnell werden die letzten Zigaretten geraucht, bevor man auf dem Auskunftsbogen des Hais »Nichtraucher«
ankreuzt und im Berufsfeld »selbstständiger Fotograf« einträgt, was der Hai für sich völlig zu Recht mit »hoffnungslos arbeitslos,
aber plant seine erste Ausstellung, bei der er in völliger Selbstüberschätzung an seinen Durchbruch glaubt« übersetzt.
Ein paar Wochen später stehen dann die provisorischen Parkverbotsschilder vor der Tür, die niemand beachtet, und bald kommt
der Möbelwagen an und parkt in der zweiten Reihe. Während Auszüge weitgehend geräusch und emotionslos vor sich gehen, ist
beim Einzug mehr
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