Die kleinen Freuden des Lebens
blumig, wie ein Witz mitAnlauf. Bei CUS dagegen sind die Fragen kurz und trocken. »Heiratsanzeige«, vier Buchstaben.
Muss man erst einmal drauf kommen, dass der »Ring« gemeint ist. Und wenn die Beschreibungen ausnahmsweise mal länger werden,
dann sind sie clever und originell: »Vorne rein, hinten rein, so hat’s der Bischof gern.« Na? Na? Denken Sie nichts Böses,
es ist ganz einfach: »Purpur«.
Na ja, so einfach ist das alles auch wieder nicht. Mein Rekord beträgt 15 Minuten, mein Negativrekord vier Tage. Manche CU S-Rätsel machen mehr Spaß als andere, aber das liegt nur an einem selbst. Besonders schön ist es, wenn man gleich die Schlüsselwörter
errät, also 1 senkrecht und 1 waagerecht, so dass man behände und elegant von oben nach unten durchs Gitter gleitet. Mühsam
ist es, wenn man zuerst ganz unten rechts die Fragen löst und sich dann hochrackern muss, und bei der Raterei helfen nur Endungen,
die trotz aller Originalität nun einmal oft gewöhnlich sind und wenig aussagen, wie -ung, -er oder -en. Dann wird das Rätsel
ein echter Kampf, eine titanische Herausforderung. Ehrensache, dass Computer und Wörterbücher nicht bemüht werden dürfen.
Die ›New York Times‹ veröffentlicht jeden Tag ein Rätsel à la CUS, und zwar in der Schwierigkeit von Montag bis Samstag ansteigend.
Die Samstagsrätsel müssen, wie man hört, praktisch unlösbar sein, es sei denn, man istNobelpreisträger und kann Freunde anrufen, die ebenfalls Nobelpreisträger sind. Aber mir reicht schon das »Kreuz mit den Worten«.
Wenn ich es fertig ausgefüllt habe, juchze ich auf und zeige es meiner Frau. Leider spricht meine Frau, eine Italienerin,
nicht so gut Deutsch, dass sie die Finessen dieser Rätselsprache versteht. Sie zuckt mit den Schultern und wendet sich wieder
ihrem Liebesroman zu. Für sie ist das ein ganz gewöhnliches Rätsel, wie es auch in der ›Apotheken Umschau‹ oder in der italienischen
Wochenzeitschrift ›Settimana Enigmistica‹ stehen könnte, deren Rätsel so leicht sind, dass selbst ich sie zur Hälfte lösen
kann, obwohl ich nur ein Viertel der Fragen verstehe.
Ich gebe ja zu, dass es Menschen geben könnte, die von dieser meiner Rätsel-Obsession darauf schließen, dass ich eben sonst
nicht allzu viel habe, auf das ich stolz sein könnte, und dass mein Leben ein ziemliches Trauerspiel sein müsse, wenn ich
mein Selbstwertgefühl aus dem Ausfüllen von Kästchen zöge. Geschenkt. Diesen Glücksmoment niemandem erklären zu können und
Laura schon gar nicht, ja auf Unverständnis, fast offene Feindschaft zu stoßen (»spiel dich nicht so auf«) – das ist bitter.
Allein um ein fertiges CU S-Rätsel herumzuzeigen lohnte es sich, eine Affäre mit einer deutschen Muttersprachlerin einzugehen.
Angeln
H abe ich noch nicht versucht, werde ich aber demnächst tun. Allein dieAussicht auf etwas so radikal Neues, das so überhaupt
nicht zu meinem Leben passt, stimmt mich froh.
Ein Gewitter erleben
E in Gewitter ist eigentlich immer schön. Wenn man nicht gerade auf einem 2000 Meter hohen Berg neben einem metallenen Gipfelkreuz lehnt. Ein Gewitter lässt einen wohlig frösteln, denn zumeist nimmt man
es ja in zivilisatorisch bedingter, völlig sicherer Geborgenheit wahr. Es ist, zumindest wenn man meinen Beruf ausübt, der
aus In-den-Computer-Starren, ›Spiegel-Online‹-Lesen und »Kicker-Bundesligamanager«-Mannschaftsaufstellen besteht, eine nur
vorgegaukelte Gefahr, ein bisschen wie eine Fahrt in der Geisterbahn. Man lehnt am Fenster, denkt an die »armen Schweine da
draußen«, obwohl ein Gewitter wohl auch die zähesten Draußen-Seier nach innen oder unter ein Schutzdach treibt, und ist immer
wieder verblüfft über die schiere Kraft, die die Natur zu entfesseln in der Lage ist.
Ein Gewitter berührt etwas tief in uns. Es erinnert uns an eine Zeit, als man sich noch wirklich fürchten musste – als Gewitter
etwas völlig Böses, Unerklärliches waren, eine göttliche Entladung, die unvorstellbaren Schaden anrichten konnte. Wie genau
Gewitter entstehen, habe ich bis heute nicht so richtig begriffen, obwohl ich über dieses Thema schon für mehrere populärwissenschaftlicheMagazine geschrieben habe. (Wenn meine älteste Tochter, 5, mich fragt, dann sage ich immer: Es blitzt und donnert, weil zwei
Wolken zusammenstoßen – die Erklärung gab man auch mir einst, und ich finde sie immer noch schlüssig.)
Auf der Insel Grado, wo meine
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