Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)
heiraten.
Angiolina?
Unser Küchenmädchen.
Ach die. Seltsam. Wer heiratet denn so etwas?
Du mußt dich ausruhen.
Ich muß arbeiten.
Strengstens verboten. Du brauchst Ruhe. Viel Ruhe! Der Arzt sagt, daß du das Bein auf keinen Fall bewegen darfst.
Nitteti, die verwitwete Schwester Giacomos, erklärt sich zur Krankenbetreuung bereit und zieht in die Villa. Auch Elviras Schwester Ida bietet ihre Hilfe an, will den Streit von neulich beilegen.
GP an Illica, 18. März 1903
(…) Sor Giulio hat mir telegrafiert, aber noch nicht geschrieben – von Giacosa habe ich auch nur ein Telegramm erhalten. (…)
GP an Illica, 19. März 1903
Signor Giulio hat mir immer noch nicht geschrieben!!!!!! Und ich habe ihm mehrmals geschrieben, zuletzt sogar in Versen – was soll ich dazu sagen? Soviel Zeit hätte er doch finden können. (…) Aber erwähne Sor Giulio gegenüber nichts von meinem Lamento, ich möchte wissen, wie weit er dieses Schweigen noch treibt. (…) Elvira überwacht mich, wie üblich, ich halte diesen Kerker kaum aus, ich kann keinen Blick tun, keine Zeitung lesen, ohne daß sie mich eines Verrats verdächtigt. (…) Wenn du mir schreibst, dann nicht über dieses Thema.
Brief von Giulio Ricordi an Illica, 23. März 1903
Teurer Illica,
ich habe Ihre Briefe gelesen, wie immer anschaulich und interessant!
Jedoch, wir Armen – mit diesem Kranken! Erinnern Sie sich, wie oft ich Ihnen sagte, daß ich für Puccini ein Ende à la Donizetti befürchtet habe, nämlich Gehirnerweichung? Donizetti schrieb die inspirierte Maria de Rohan fast ohne Rückenmark! Und danach! Und danach!! Genug.
(…) Puccini ist ein wirklich widerspenstiger, sich selbst schadender Junge! Ich erfahre geradewegs haarsträubende Dinge, die mich aus der Fassung bringen … (ANM. 5)
14
Als Elvira zum Bahnhof nach Viareggio fährt, mit einer Pferdekutsche, wie früher, ›zu Verdis Zeiten‹, wie die verflossene Ära nun immer öfter benannt wird, trifft sie dort Giulio Ricordi, eben aus Mailand eingetroffen. Er ist incognito da und kondoliert der Witwe, betont, daß sie sich in allen Lebenslagen stets an ihn wenden könne. (ANM. 6)
Elvira, die mit ihrem verstorbenen Gatten Narciso keineswegs eine gütliche Einigung erzielt hatte (Fosca durfte sie nur mitnehmen, weil er auf die Tochter keinen Wert legte), redet nun versöhnlich, beinahe zärtlich über ihn.
Eigenartig, nicht? Beinahe hätte ich in ein und derselben Nacht gleich meine beiden Männer verloren. Mein Schicksal wäre anekdotisch geworden. Der Tod hatte die Wahl und gab sich vorerst mit Narciso zufrieden. Aber Giacomo hat er eine deutliche Warnung verpaßt … Sagen Sie selbst, Signor Giulio! Wie verhält man sich in einer solchen Lage? Es wäre gewiß eine Sünde vor Gott, sich über den Tod des kirchlich angetrauten Ehemannes zu freuen. Ich freue mich auch gar nicht. Narciso war kein so schlechter Mensch. Ich bin ihm in Ewigkeit dankbar, daß er sich damals so uneigennützig in die Trennung gefügt hat. Großherzig hat er mich geliebt, er starb leider verbittert und möge seinen Frieden finden vor Gott. Aber nun können Giacomo und ich endlich heiraten. Mann und Frau werden vor dem Gesetz. Wenn die zehn Trauermonate erst vorüber sind. Was geschehen ist, ist ein Wunder. Der Weg ist frei, und Giacomo kann mir nicht mehr davonlaufen.
Man müsse sich das mal überlegen. Als habe die heilige Jungfrau eine doppietta geschossen, wenn man es so ausdrücken dürfe, was man sicher nicht darf, aber es trifft, nicht wahr?
Signor Giulio nickt. Das sei gut, sei ein enormer Fortschritt. Möglicherweise die Rettung. Man müsse in allem das Gute entdecken und es nutzbringend in die richtigen Bahnen lenken. Er werde, fügt er halblaut an, das nächste halbe Jahr eine Auszeit nehmen, sechs Monate in Paris verbringen, er fühle sich alt und eines Urlaubs bedürftig. Wenn sie etwas brauche, solle sie sich an Tito wenden.
Ach, eine wundervolle Stadt, Paris. Giacomo liebt dieses Kaff hier, aber ich, ich liebe die großen Städte …
Ja. Mir geht es ebenso. Ich muß mich jetzt leider verabschieden.
Wollen Sie nicht zu ihm?
Nein, ich habe ein Telegramm geschickt, das genügt. Es ist besser, wir schweigen eine Weile. Zu Zeiten, nach einem Sturm, ist es wichtig, die Stille hernach nicht zu stören. Stille heilt manche Wunde. Ich bitte Sie darum, lieber nicht zu erwähnen, daß ich hier war.
Sie können sich auf mich verlassen, Signor Giulio.
Ich weiß das sehr zu schätzen, Signora
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