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Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Titel: Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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gutmeinenden Schwestern vor allem, selbst jene, die im Kloster gelandet ist, Iginia, schickt mir Briefe, in denen sie dauernd mein Seelenheil erwähnt, und daß ich wieder auf die rechte Bahn gelangen möge. Ich werde nicht wie ein Kranker, nein, wie ein gestrafter Sünder behandelt. Saluti, Giacomo.
     
    Liebe Iginia, Schwester, Braut Christi, die du mich quasi zum Schwager unsres Heilands machst,
    du wirst das Wichtigste den Zeitungen entnommen haben, die alle übertreiben, es geht mir gut, relativ zu dem, was hätte passieren können. Elvira ist nach Lucca gefahren, zum Begräbnis ihres Gatten. Es ist schrecklich, zurückgeworfen zu werden auf eine fragile Körperlichkeit, die sich in einem eklatanten Mißverhältnis befindet zu den Ausflügen unsres Geistes. Es wird ein halbes Jahr vergehen, bevor ich wieder laufen kann. Aber wir müssen uns abfinden mit dem, was uns Gott auferlegt hat. Ich erhalte Genesungswünsche aus aller Welt, sogar von Königen und Königinnen, aber über nichts freue ich mich so sehr wie über Deine Zeilen, Dein Mitgefühl und Deine Gebete um mein Seelenheil, sie geben mir Kraft in trostloser Zeit, es grüßt Dich Dein Bruder G.
     
    P.S. Ihr lest im Kloster doch Zeitungen, oder? (ANM. 7)
    Nimm diese Briefe, leite sie bitte weiter, ja?
    Dr. Giacchi nickt und tastet das gebrochene Bein ab. Irgendetwas scheint ihm damit nicht in Ordnung zu sein. Schief sieht es aus.

16
    Liebster!
    Daß ich Dich ein halbes Jahr nicht sehen soll, nicht trösten und küssen kann, ist fürchterlich. Ich ahne, was Du derzeit erleidest, mein eigenes Leiden will ich deswegen tapfer ertragen. Nur müßte es doch eine Möglichkeit geben, Dich, und wenn auch nur von ferne, einmal kurz sehen zu dürfen. Oder würde Elvira Dich danach mit einem Kissen ersticken? Es bereitet mir die allergrößte Sorge, Dich in ihrer Obhut zu wissen. Ich bin in Mailand, langweile mich, du kannst mir unter der bekannten Adresse schreiben, ich warte auf den Ruf an Dein Bett. Oder, wenn das nicht geht, erlaube mir bitte, in einem Nachen auf dem See wie zufällig an Deinem Haus vorüberzutreiben, damit ich zumindest einen Blick auf Dein Haus werfen, Dir verstohlen zuwinken kann. Oder, wenn dein Zustand die Reise erlaubt, laß Dich hier von mir gesundpflegen, welchen geeigneteren Zeitpunkt könnte es geben, der Welt unsre Liebe zu offenbaren, als jetzt, da alle voller Mitgefühl mit ihren Gedanken bei dir sind. Sicher ist so ein gebrochenes Bein eine schmerzhafte und böse Sache, aber den Transport müßtest du doch irgendwie überstehen können, verzeih mir, aber ein halbes Jahr ! Wie soll ich das ertragen? Dich in den Fängen dieser Furie zu wissen. Ich habe Angst. Um Dich, um uns. Es soll nicht hysterisch oder wehleidig klingen, nur will ich von tief innen aus sprechen, aus meinem Herzen heraus.
    Ein schreckliches Gefühl plagt mich, ich weiß, daß es keine Basis besitzt, du darfst mich ruhig verspotten deswegen.
    Ich habe auch vollstes Verständnis, daß Dein Brief nicht von der üblichen Leidenschaft geprägt war, die wir untereinander gewohnt sind. Du mußtest sicher befürchten, der Brief könne abgefangen oder von den falschen Augen gelesen werden. All das verstehe ich, Liebster, und berücksichtige es, weshalb auch diese Antwort weniger leidenschaftlich ausfällt, als Du es Dir sicher wünschen würdest. Werden wir zwei wirklich heiraten im nächsten Jahr? Dein Versprechen hat mich sehr gerührt und mir über manch dunkle Stunde hinweggeholfen, darf ich darum bitten, daß wir uns verloben? Es muß nicht offiziell sein, nur unter uns, uns beiden, es würde mir helfen, diese lange Zeit des Wartens besser zu überstehen. Trüge ich einen Ring von Dir an meinem Finger, den ich drehen könnte, statt nur meine Däumchen, wenn ich an Dich denke, ach, es klingt eigensüchtig, was ich schreibe. Sei lange geküßt, überallhin, mir ist jetzt nach Weinen zumute.
    Denkst Du denn, ich käme nicht auf die Idee, Gott habe ein Zeichen gesetzt? War Elviras Mann nicht sogar im selben Alter wie du? Sicher gibt dir das zu denken, ich weiß es doch. Wie kann ich damit leben? Und vor allem, wie kann ich mit dem Wissen leben, daß Du andauernd darüber grübelst? Du bist nicht sehr religiös, Jack, Du ehemaliger Leichtfuß, aber Du liegst jetzt still und hast viel Zeit, um nachzudenken, das ist das schreckliche Gefühl, nun, indem ich darüber schreibe, kann ich es benennen. Verlass mich nicht.
    Ewig Dein, mein irdischer Gebieter, Geliebter,

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