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Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Titel: Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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Cori.
     
    Giacomo hat den Brief nun ein drittes Mal gelesen. Für sein Empfinden redet sie darin ein bißchen viel von sich , auch wenn er für ihre Lage Verständnis zeigt. Narciso im selben Alter wie er? Quatsch. Zwei Jahre älter war Narciso, aber für Cori scheint alles über vierzig in ein und dieselbe Schublade zu gehören. Wie stellt sie sich das bloß vor, mit der Verlobung? So ist sie nie gewesen. Sonst. Hat er ihr etwa nicht die Ehe in Aussicht gestellt, gleichsam versprochen? Kann sie sich damit nicht zufriedengeben? Will sie ihm das Leben hier zur Hölle machen, indem sie auf dem See in einem Kahn (schlimmer: in einem Nachen ) herumgondelt und winkt? Und was zum Teufel soll der Hinweis auf die fehlende Leidenschaft? Das so pragmatische, vor allem duldsame Mädchen scheint ihm nicht mehr zu vertrauen, aber muß sie dem ausgerechnet in so einem Moment Ausdruck verleihen? Als hätte er hier nicht schon genug Prekäres zu jonglieren, im wahrsten Sinne des Wortes auf einem Bein, am Ende seiner Kraft. Leichtfuß! Hätte sie sich dieses Wort nicht ersparen können? Es wirkt ein wenig takt- und geschmacklos. Doch.
    Schnell verbirgt er Coris Brief unter dem Kopfkissen.
    Elvira betritt den Raum, wie üblich ohne zu klopfen, glücklicherweise sind ihre Schritte auf der Treppe gut zu hören, und wenigstens benimmt sie sich seit neuestem einigermaßen zivilisiert, manchmal trägt ihre Zuwendung sogar Züge früherer, längst verloren geglaubter Innigkeit. Etliche verschüttgegangene Erinnerungen an eine bessere Zeit kehren zurück, wie abgemagerte Verbannte aus dem Asyl.
    Elvira schüttelt Giacomos Kissen auf. Er verbirgt Coris Brief, indem er seine Wange darauf preßt und ihn im geeigneten Moment unterm Bett verschwinden läßt.
    Elvira, das muß er bald zugeben, kümmert sich warmherzig um ihn. Schlimm war die Diät aus Gemüse, Obst, Strychnin und Karlsbader Wasser gewesen. Was hat denn der Bauch mit dem Schienbein zu tun? Jetzt ist damit Schluß, jetzt ist es besser, auch wenn er sich furchtbar langweilt. Nur die vorzüglichen, sehr toskanisch-fleischhaltigen Mahlzeiten können über die Ödnis viertelstundenlang hinweghelfen. Er raucht dreißig, für seine Verhältnisse nur dreißig Zigaretten am Tag und liest viel. Ida Razzi kommt ins Haus, löst Nitteti ab, was zu Spannungen führt. Er möchte lieber von seiner Lieblingsschwester Ramelde gepflegt werden, die sich – leider – ihrer drei Kinder wegen für unabkömmlich erklärt.
    Die Aussicht auf eine baldige Heirat scheint Elviras Wesen verändert zu haben, stellt Giacomo fest, sie spinnt sich da wohl enorm was zusammen. Natürlich hat sie zwanzig Jahre darunter gelitten, illegitim an meiner Seite zu verbringen, jetzt erblüht sie plötzlich. Er weiß nicht so recht. Soll ich ihr die Illusion rauben? Nein, wozu? Sie hat mich so schlecht behandelt, dafür kann sie mir jetzt ein wenig Behaglichkeit gönnen. In unser beider Interesse.
    Elvira überrascht ihn mit einer ziemlichen klugen Entscheidung.
    Wir müssen unser Personal erweitern, Giacomo. Alice ( die Kammerzofe ) kann nicht alles alleine erledigen. Ich weiß, daß du sicher nichts dagegen hast, wenn du nicht dauernd nur mein Gesicht sehen mußt.
    Wie kommst du darauf? Schatz.
    Der Ersatz für Angiolina ist da. Zu deiner individuellen Bedienung. Es ist Alices Cousine, die Tochter von Emilia Manfredi Cinti. Sie hat ernsthaft geweint vor Glück, weil sie von nun an hier arbeiten darf. Für den Maestro! Rührt dich das? Ich kenn dich doch. Doria! Komm rein!
    Ein junges Mädchen tritt durch die Tür. Verpickelt, hager, mit hochgesteckten, ungepflegten Haaren, gekleidet in eine Art Vorhangstoff, den jemand mit löblichsten Absichten umgenäht haben muß.
    Stell dich vor!
    Das Mädchen schweigt, steht da, den Kopf gesenkt.
    Sag dem Maestro, wie du heißt!
    Doria flüstert ihren Namen. Doria Manfredi. Es tue ihr so leid.
    Puccini sieht sie an, und mit all seinem Charme, über den er bei Personen minderen Standes jederzeit verfügt, lacht er. Ach, du bist das gewesen? Ich dachte, ein Reh . Behauptet wenigstens Guido. Warst du als Reh unterwegs?
    Damit verunsichert er das Mädchen nur, das keine Ahnung hat, wovon er spricht.
    Die entstandene peinliche Pause unterbricht Puccini mit der Frage, wie alt sie sei.
    Siebzehn. Das Mädchen bewegt seine Finger, als müsse sie heimlich die Jahre ihres Lebens abzählen, um eine korrekte Antwort zu geben. Elvira legt ihr die Hand auf die Schulter.
    Es ist gut, Doria. Der

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