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Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Titel: Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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üppiger aus als von Cori erwartet. Immerhin muß es sich aus der Perspektive Giacomos um einen Betrag handeln, hoch genug, um ihr und den Mitwissern ein für allemal die Hände zu binden. Es geht das Gerücht von 20.000 Lire, was zwanzig Jahreseinkommen eines mittleren Angestellten entspricht. Vertraglich wird festgelegt, daß der Betrag zurückgezahlt werden müsse, falls Cori jemals in der Öffentlichkeit über ein Verhältnis erotischer Natur mit dem Maestro plaudern sollte. Damit ist sie geknebelt. In ihrer Familie wird das Thema Puccini fortan zum Tabu erklärt.
    Mitte Dezember nimmt Tito Ricordi aus den Händen der erfolgreichen Anwälte das Briefkonvolut in Empfang. Und gibt es Illica, mit der Bitte, es Puccini auszuhändigen. Offiziell wollen die Ricordis nichts getan oder gewußt haben. Illica schließt sich diesem Beispiel an und reicht die Briefe an Elvira weiter.

29
    Kurz vor Weihnachten, drei Tage vor seinem fünfundvierzigsten Geburtstag, sitzt Puccini, in Decken gehüllt, am Seeufer, bei spärlichem Schneefall. Sein Freund Nomellini hat eben die hübsche Karikatur gezeichnet, die auf die Einladung zur Hochzeit gedruckt werden soll. Ein nackter Giacomo, seine Blöße von einem Notenblatt verdeckt, umarmt eine idealisierte Elvira.
    Du mußt mich nicht heiraten, wenn du nicht willst. Überleg es dir noch mal.
    Elvira hat sich zu ihm gesetzt, legt einen Arm um ihn, beide betrachten das Wasser. Beide rauchen.
    Unsinn, meint Puccini, es ist logisch.
    Was meinst du damit?
    Wir heiraten. Es ist logisch. Welchen Sinn hätte sonst alles gehabt? Wir heiraten. Dann ist Tonio auch kein Bastard mehr.
    Ist es nur wegen Tonio?
    Nein. Ich bin eben auch ein Gewohnheitstier.
    Warum löchert sie mich mit diesen Fragen, denkt er sich, warum kann sie nicht einfach ihren Sieg genießen?
    Sag, daß du mich liebst.
    Ich habe dich immer geliebt.
    Warum sagst dus in der Vergangenheit?
    Ich liebe dich. Welchen Sinn hätte sonst alles gehabt?
    Ich dich auch.
    Und sie küßt ihn sanft auf die Wange.
    Das wird eine frohe Weihnacht werden, Topico. Ein neuer Anfang. Bei den alten Römern, hast du mal gesagt, wurde man erst mit fünfundvierzig zu einem reifen, ernstzunehmenden Mann. Ich hab vorab schon ein Geschenk für dich. Zum Compleanno.
    Betont beiläufig legen ihre ungewöhnlich großen, fast männerhaften Hände ein mit einer roten Schleife zusammengebundenes Paket Briefe in seinen Schoß. Topico sieht sie pikiert, doch auch beeindruckt an. Dann erst zieht sich sein Gesicht zusammen. Elvira wird die Briefe wohl alle gelesen haben.
    Danke , stammelt er tonlos und stiert auf den See hinaus, um Elviras Blicken auszuweichen.
    Er ist wirklich dankbar, weil sie es ihm in diesem Moment so leicht macht und ins Haus geht, ohne Vorwürfe, ohne Triumphgeheul. Als es Abend wird, verbrennt er die Briefe und weint. Aber am 27. Dezember, kurz vor Mitternacht, erklärt er Madame Butterfly für beendet.
    Die Oper sei ganz gut geworden, schreibt er einem Freund am nächsten Morgen, man werde sehen .
    Wenige Tage darauf beginnen die ersten Proben, unter strengster Geheimhaltung, die Sänger dürfen nicht einmal ihre eigenen Noten mit nach Hause nehmen. Allen, die mit der Aufführung nicht primär verbunden sind, insbesondere Journalisten, wird der Zutritt zur Scala strikt untersagt. Solche Restriktionen sind die üblichen Zaungäste nicht gewohnt, und viel Verständnis dafür aufbringen wollen sie auch nicht. Die Atmosphäre ist gereizt.

30
    1904
    Am 3. Januar findet, zuerst in der Amtsstube in Viareggio, danach im Garten der Villa die Hochzeit statt, eine verhältnismäßig intime Veranstaltung mit nicht mehr als vierzig Gästen.
    Auf einem meterhohen Marmorsockel liegt, in einem prachtledernen Einband, die fertige Partitur der Butterfly , wie eine Monstranz. Gleich daneben steht, aus Blöcken von weißem Pappmaché gefertigt, etwas, das wohl einen Traualtar darstellen soll. Puccini will von der Zeremonie nicht viel Aufhebens machen, sein Freund Cesare Riccioni, Bürgermeister von Viareggio, wird die Ziviltrauung vornehmen, die kirchliche ist für den späten Abend in der kleinen Kapelle von Torre del Lage angesetzt. (ANM. 14)
    Die Partitur erregt die Neugier einiger Gäste, darunter Giacosa, Illica, Giulio und Tito Ricordi sowie der noch junge Toscanini, der leider die Uraufführung nicht übernehmen kann, weil er sich mit der Leitung der Scala im Jahr zuvor überworfen hat. Was ihm von Giulio als Arroganz ausgelegt wurde und immer noch

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