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Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Titel: Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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an die Öffentlichkeit dringen? Es wissen eh schon sehr viele Menschen davon, viel zu viele, einem Wunder kommt es gleich, daß alle dichthalten.
    Impulsiv schreibt Giacomo am selben Tag zurück – Elvira zeigt sich über seinen Tonfall zufrieden –, daß sie offenkundig den Verstand verloren habe und, wenn nicht an ihn, so an sich selbst denken solle. Er habe darüber hinaus alles Wesentliche gesagt, sie möge den Status quo akzeptieren und sich weder lächerlich machen noch in ihr Unglück rennen. Er würde sie gern als kluge junge Frau in Erinnerung behalten, nicht als dumme, würdelose Ziege. Ihr sentimentaler, selbstgerechter Ton gehe ihm auf die Nerven. Wenn irgend jemand in den Schmutz gezogen habe, was gewesen sei, dann sei doch vor allem sie das gewesen, mit ihrem unverzeihlichen Treiben. Sie habe keinen Grund, sich zu beklagen, habe in vielerlei Hinsicht von ihm profitiert, er hoffe, ihr werde das später einmal bewußt – und damit basta.
    Der Brief, in frischem Zorn verfaßt, soll ihr über die Fiebermarke getretenes Temperamentchen kühlen. Puccini kann sich nicht vorstellen, daß eine andere Wirkung davon ausgehen könne, zumal Cori stets – wenigstens auf erotischer Ebene – eine gewisse devote Neigung gezeigt hat.
    Ihre Antwort wirkt auf Giacomo und alle, die davon erfahren, zutiefst schockierend. Diese Antwort schreibt nämlich nicht sie selbst, sondern der Anwalt, zu dessen Händen sie alle, buchstäblich alle auch noch so intim gehaltenen Briefe Puccinis gegeben hat.
    Am 24. November trifft dessen Schreiben in Torre del Lago ein und verursacht massiven Aufruhr. Giacomo bekommt es mit der Angst. Sollte jener Briefwechsel je an die Öffentlichkeit gelangen, wäre er erledigt, Cori zwar auch, aber der kommt es darauf anscheinend nicht mehr an. Im ersten Schreck erwägt er sogar eine Flucht in die Schweiz.
    GP an Illica, 24. November 1903
    Lieber Gigi
    (…) Schreib mir bald. Ich bin allein hier und traurig! Wenn du wüßtest, wie ich leide! Ich brauche so nötig einen Freund, aber ich habe keinen, und auch niemanden, der mich liebt und versteht. Mein Wesen ist so verschieden von dem der andern. Nur ich verstehe mich selbst und ich leide – aber mein Leiden hört nicht auf – läßt mich nicht in Frieden – auch meine Arbeit verschafft mir keinen Trost, ich arbeite, weil ich muß – mein Leben ist ein Meer von Traurigkeit, und ich versinke darin! Ich habe das Gefühl, von niemandem geliebt, von niemandem verstanden zu werden, und da sagen so viele, ich sei zu beneiden! Ich bin schon als Unglücklicher geboren! Aber auch Du kennst meine Seele nicht so, wie ich möchte – und vielleicht tue ich Dir nicht einmal leid! Ich möchte mit Dir sprechen und Dir mein Herz ausschütten! Aber Du bist so weit weg, und ständigen Klagen zuzuhören ist ja auch kein Vergnügen. Ach, wenn du einmal auf einen Sprung herkommen könntest – wir sind allein – komm mit Deiner Frau – bleib ein paar Tage hier – Eure Gesellschaft würde mir so gut tun und könnte unsere Freundschaft von neuem festigen! Du sagst, ich soll lesen? Ich kann nicht – ich schreibe ein paar Noten hin, weil ich muß – und verbringe meine Zeit in einer Atmosphäre schwärzester Dunkelheit. (…)
    Elvira an Illica, 24. November 1903
    Lieber Illica,
    ich habe geahnt, in welchem Ton Giacomo Ihnen schreiben würde, und seinen Brief deshalb gelesen, bevor ich ihn abschickte, nur um mich von der Richtigkeit meiner Vermutung zu überzeugen. Ich bitte Sie, mich nicht zu verraten, da dies zu einem völlig unnötigen Konflikt zwischen Giacomo und mir führen würde.
    Er macht im Augenblick eine sehr harte Zeit durch, wegen dieser Piemontesin, die ihm große Schwierigkeiten bereiten wird, denn sie hat (was vorauszusehen war) begonnen, ihn zu erpressen. Obwohl nun mehrfach erwiesen ist, wie sich dieses hinterhältige Frauenzimmer benimmt, hofft er im Grunde immer noch, daß alles, was man ihm berichtet hat, nur dem übertriebenen Eifer jener Personen zuzuschreiben ist, die beauftragt waren, sie zu entlarven. Heute morgen jedoch sind ihm die Augen aufgegangen, als er den Brief eines Advokaten aus Turin erhielt, der eine Unterredung verlangte und ihn wissen ließ, daß er im Besitz der gesamten Korrespondenz sei, auch jenes beleidigenden Briefes, worin er dem Fräulein den Abschied gab! Das hat ihn doch tief getroffen, zum Teil, weil er Unannehmlichkeiten befürchtet, in der Hauptsache aber, weil sein Idol von dem Sockel gestürzt ist, auf

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