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Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Titel: Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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erkläre ich euch, kraft meines Amtes, zu Mann und Weib vor dem Gesetz. Tauscht die Ringe. Ihr dürft euch nun küssen!
    Applaus. Als habe man entschieden, es sei an der Zeit dafür, Applaus.
    Die Trauzeugen, Doktor Rodolfo Giacchi für Giacomo Puccini, sowie Giuseppe Razzi für Elvira Bonturi, mögen bitte hier unterzeichnen. Die Trauung ist somit vollzogen.
    Laßt uns trinken, fordert Nominelli, bis auf den Grund aller Krüge hinunter!
    Die restlichen Mitglieder des Clubs schreien wieder dreimal Hurra, wollen Puccini auf ihren Schultern davontragen, verzichten nach ersten Ansätzen darauf, angesichts seiner Krücken. Die Atmosphäre sträubt sich dagegen, so zwanglos zu werden wie von einigen gewünscht.
    (Ferruccio Pagni kann die Zeremonie nur per Fernglas verfolgen, aus seinem keine fünfzig Meter entfernt liegenden Haus. Nachdem Giacomo ihm heftige Vorwürfe gemacht hat, wegen so vieler fahrlässiger Indiskretionen, ist die Freundschaft zerbrochen. Der dadurch tief getroffene, von allen geschnittene Pagni wird dem Beispiel Barsuglias folgen und nach Argentinien auswandern. Erst 1917 kehrt er zurück.)
    Das Brautpaar nimmt die Parade der Gratulanten ab, Giulio Ricordi umarmt Giacomo demonstrativ. Große Versöhnung. Zuletzt ist die Reihe an der Dienerschaft. Auch Doria gibt ihrer Herrin die Hand.
    Herzlichen Glückwunsch, Signora!
    Danke, Kind.
    Herzlichen Glückwunsch, Sor Giacomo!
    Danke, Dori.
    Über Elviras Gesicht huscht ein Schatten, aber sie hat keine Zeit, sich deswegen Gedanken zu machen, heute ist der schönste Tag ihres Lebens, das hat sie fest beschlossen, und nichts soll daran etwas ändern.
    Giacomo scheint, spät, aber doch, von der Zeremonie bewegt zu sein. Er deutet auf die Partitur und ruft: Wißt ihr was? Ihr kommt alle mit zur Premiere!
    Ich liebe dich , ruft Elvira, ebenso laut. Ihr Gatte , endlich, endlich darf sie dieses Wort, Gatte, verwenden, hat seine Verwandtschaft bisher stets von Premieren ausgeschlossen.
    Diesmal kann nichts schiefgehen. Ich will euch alle dabeihaben! Das wird ein unvergeßlicher Abend werden, und wir werden feiern, feiern, weil wir den Göttern eine neue Oper geschenkt haben!
    Dreimal pfui und draufgekackt!
    Trinkt, Freunde, trinkt!
    Padre Michelucci, der um zehn Uhr abends die kirchliche Trauung vollziehen wird, redet auf den Club mäßigend ein. Zu befürchtende Ausschweifungen verbitte er sich. In seinem Gotteshaus werde er Betrunkene nicht dulden, sie mögen gewarnt sein. Und sich gefälligst zügeln. Giacomo wird ihm nach der Trauung erstaunlich viel Trinkgeld geben, aber am nächsten Tag an Ramelde schreiben: Bist du jetzt ruhig? Gegen Ende des kurzen Briefes erwähnt er, daß auch Iginia jetzt froh sein müsse. Es klingt verbittert.

31
    Wie fast jede Zeit vor einer professionellen Uraufführung ist auch diese eine erfüllte. Rausch und Erregung dominieren alle Widrigkeiten. Die Rahmenbedingungen scheinen vielversprechend, die Sängerriege läßt an Wünschen wenig übrig. Tito, der Regisseur, ist bemüht, gewisse Härten des Librettos szenisch zu verharmlosen, quasi zu überspielen, der Komponist redet ihm da nicht rein. Szenisches hält er für sekundär, der Musik nachrangig. Hauptsache, der Dirigent, Cleofonte Campanini, hält sich an die ihm vorgeschriebenen Metronom-Angaben und kitzelt aus dem Orchester all die feinen Schattierungen heraus, die vor allem dem Einfluß Debussys entsprungen sind.
    Giacomo hat, wider den eigenen Aberglauben, sein Versprechen wahrgemacht und etlichen Verwandten Premierenkarten besorgt, darunter auch Ida und Beppe Razzi. Alle Streitigkeiten scheinen vergessen, man hat gewaltsam einen Schlußstrich gezogen. Will feiern auf der Tabula rasa, will tanzen auf dem leergefegten Tisch.
    Der 17. Februar 1904. Uraufführungsabend der Madama Butterfly an der Scala in Mailand. Selten ist eine neue Oper mit solcher Spannung erwartet worden. Die Aufführung ist trotz erhöhter Eintrittspreise seit mehreren Wochen ausverkauft.
    Bevor man sich ins Opernhaus begibt, wird Sekt getrunken in Puccinis Mailänder Wohnung, praktischerweise direkt neben der Scala gelegen. Puccini, Giacosa und Illica schreiben der Sängerin der Butterfly, Rosina Storchio, noch schnell, wie vor Premieren üblich, ein euphorisch-anfeuerndes Billett. Zwar seien sie, die Künstler, gezwungen gewesen, die Butterfly auf der Bühne sterben zu lassen, Rosina Storchio hingegen werde der Oper ewiges Leben einhauchen. Es herrscht genau jene ausgelassene Stimmung, die man bei

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