Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)
übelgenommen wird. Zwischen den beiden herrscht nicht gerade Festtagsstimmung.
Tito öffnet die Partitur und macht sich lustig, indem er die chaotischsten Passagen unter allgemeinem Gelächter herumzeigt.
Kaum einer der Kopisten kann Puccinis Sauklaue entziffern! Das allein kostet uns mindestens eine Woche. Wir müssen die Premiere verschieben! Bis Februar ist einfach nicht genug Probenzeit.
Toscanini meint selbstbewußt, unter seiner Leitung wäre das Zeit genug.
Giulio Ricordi reagiert mit dem Hinweis, daß schon vor Toscanini ein Opernbetrieb existiert habe und möglicherweise auch fürderhin existieren werde. Toscanini wendet sich beleidigt ab. Tito zieht den Vater beiseite, redet auf ihn ein, Arturo sei ein großer Dirigent, man dürfe ihn so nicht behandeln.
Ich habe meine Meinung und basta.
Nur eine weitere Fehlentscheidung für unser Haus.
Es reicht! Mach, wenn ich tot bin, was du willst. Und vorher, was ich will!
Es ist Tonio, der zwischen die beiden tritt. Es ist gleich soweit! Streiten Sie doch bitte nicht! Seine Aufgeregtheit amüsiert die Ricordis. Daß ihm die Heirat seiner Eltern etwas bedeutet, finden sie bei näherer Betrachtung verständlich, ja eigentlich rührend.
Bürgermeister Riccioni will seine Ansprache eben beginnen, als es zu einem – leider befürchteten – Zwischenfall kommt.
Der Club La Bohème , oder was von ihm übrig ist, singt in besonders wehmütiger Weise den Summchor aus Butterfly . Jemand spielt Querflöte dazu. Nomellini, der Kunstmaler, tritt vor und hält eine Rede, deren Stichpunkte er auf einer Hutschnur notiert hat. Puccini lächelt leicht gequält.
Lieber Giacomo, am heutigen Tag verabschieden wir, der Club La Bohème, dich aus der Gesellschaft der Junggesellen, verstoßen dich, tief hinab in die Hölle der gewöhnlichen Ehemännchen. Immer warst du uns ein leuchtendes Vorbild, von nun an wirst du uns eine leuchtende Warnung sein, und immer werden wir dein Angedenken vor der Nachwelt niedrig halten, werden auf deinen vermaledeiten Namen spucken, mit einer Traurigkeit, die du mit Respekt niemals verwechseln solltest. Elvira Bonturi! Schande und üblen Klatsch über dich, weil du einen unsrer liebsten Jünglinge aus unsrer Mitte reißt!
Der Club, im Chor: Dreimal pfui und draufgekackt!
Geschmacklos. Flüstert Elvira ihren Schwestern Ida und Livia ins Ohr.
Padre Michelucci, ein großer, finster dreinblickender Mensch, gibt ihr recht. Allerdings. Ganz und gar geschmacklos.
Giacomo berührt seine Braut sanft an der Schulter. Elvira! Es ist ein Spaß.
Ja, auf meine Kosten!
Nomellini, irritiert über die ausbleibende Heiterkeit, bringt seine Rede rasch zu Ende.
Weil aber alles ist, wie es ist, und alles wird, wie es muß, verzichtet der Club La Bohème großherzig auf die Züchtigung seines Abtrünnigen und gelobt, sich zur Feier des Ereignisses hemmungslos der Trunksucht und billigen Witzeleien hinzugeben, so wie es nur einstmals großen Mitgliedern zusteht. Dreimal Hurra für das Brautpaar!
In die Hurra-Rufe stimmen schließlich alle ein, was die Situation halbwegs rettet.
Bürgermeister Riccioni stützt sich würdevoll auf den Traualtar aus Pappmaché.
Liebes Brautpaar. Ich bin sehr glücklich heute. Etwas wurde in Ordnung gebracht, wurde im nachhinein gutgeheißen, wurde zu guter Letzt feierlich. Nie zuvor habe ich diese Rede lieber gehalten als am heutigen Tag.
Elvira lächelt befriedigt. Giacomo, auf Krücken gestützt, ganz tapfer.
Lange lag über eurer Verbindung der Schatten der Namensungleichheit, nun hingegen strahlt die Sonne hell, von keiner Wolke getrübt, und es ordnet sich die Leidenschaft … äh … dem Gesetz unter.
Riccioni zeigt sich verunsichert ob des Getuschels rundherum. Jemand muß einen sehr guten Scherz gemacht haben, und der Bürgermeister ärgert sich, ihn nicht mitbekommen zu haben. Es ist kühl und der Himmel dicht bewölkt.
So frage ich, als offizieller Vertreter der italienischen Nation, nun dich, Elvira Bonturi, verwitwete Gemignani, willst du diesem Manne die Treue bewahren, ihn als deinen Gatten lieben und ehren, zu ihm halten in guten wie in schlechten Tagen, bis daß der Tod euch scheidet?
Ich will.
Und willst du, Giacomo Antonio Domenico Michele Secondo Maria Puccini, Ehrenbürger von Viareggio, diesem Weibe als deiner Gattin die Treue bewahren, sie lieben und ehren, zu ihr halten in guten wie in schlechten Tagen, bis daß der Tod euch scheidet?
Ja.
Leises, grummelndes Gelächter vom Club La Bohème.
So
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