Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)
Dieses verfluchte Amerika! (…)
Die Erstaufführung der Butterfly am 11. Februar wird, trotz der lächerlichen Anzahl von nur zwei Gesamtproben und eines diesmal eher dürftig singenden Caruso ( GP nennt ihn faul und selbstverliebt), ein Erfolg.
Die äußeren Bedingungen seien zwar mäßig, in Sachen künstlerischer Sorgfalt sei das noch ein Entwicklungsland, dennoch erscheint New York dem Maestro als glückbringendes Pflaster; zum ersten Mal spielt er mit dem Gedanken, hier eine Oper uraufzuführen – was das musikalische Europa brüskieren würde, gewiß, aber wäre das so schlimm?
Am 21. Februar begeben sich Elvira und Giacomo in das Büro der Columbia-Schallplattengesellschaft, wo beider Stimmen für die Nachwelt aufgezeichnet werden, jeweils kaum dreißig Sekunden lang. Er schließt seine kurze Dankesrede an das gastgebende Land mit dem erneuten Ausruf: ›America forever!‹
Es folgen Ausflüge nach Philadelphia und zu den Niagara-Fällen, die, teilweise gefroren, einen märchenhaften Anblick bieten. (Dies schreibt er an Ramelde, deren neuester Kosename ›Melisande‹ lautet, eine für GP typische anagrammatische Assonanz.) Von den Niagara-Fällen aus schreibt er auch die erste Postkarte an Giulia Manfredi, wohnhaft Torre del Lago, eine jüngere Cousine Dorias, zu diesem Zeitpunkt kaum achtzehn Jahre alt.
In den Interviews vor der Rückreise nach Europa am 28. Februar manifestiert er seine Zweifel an der Conchita , erwähnt, mit Belasco in Verhandlungen zu stehen, erwähnt aber auch das Gorki-Triptychon und sogar Stücke von Gerhart Hauptmann (darunter Hanneles Himmelfahrt ). An den King Lear habe er auch gedacht, fürchte sich aber vor Shakespeare und dem langen Schatten Verdis.
Am 7. März legt das Schiff (die »La Provence«) in Le Havre an. Elvira, die von einer Angina geplagt wird, ist überglücklich, wieder festen Boden unter sich zu haben. Puccini schreibt sofort an Belasco. The Girl of the Golden West tauge, mit einigen Veränderungen, vielleicht doch als Opernstoff.
Aus Paris meldet sich wütend Pierre Louys und verlangt Schadensersatz für die auf Eis gelegte Conchita . Puccini zuckt mit den Achseln, er habe der Conchita doch nichts angetan, was solle die Erregung? Statt sich mit derlei verletzten Eitelkeiten herumzuschlagen, kauft er lieber ein neues Auto und freut sich an den bunten Krawatten, die Sybil ihm aus London schickt. D’Annunzio meldet sich. Mit dem Frühling sei seine alte Nachtigall wiedererwacht und möchte für Puccini singen. Das sei doch schön, antwortet Puccini einsilbig.
Giulio Ricordi findet das Libretto Illicas zur Conchita , das inzwischen komplett vorliegt, gegen die eigenen zuvor geäußerten Bedenken ziemlich gut und schreibt seinem Starkomponisten zornig, er agiere wie ein neuer Hamlet, seine Zweifel und Skrupel gingen langsam allen auf die Nerven.
Nebenbei hat Fontana, der Librettist der ersten beiden Puccini-Opern, ohne Auftrag einen Text nach Wildes Herzogin von Padua vorgelegt, und der Dichter Colautti ist der Meinung, er habe einen zu bezahlenden Auftrag gehabt, aus der Florentinischen Tragödie einen Operntext zu machen. Ein bedauerliches Mißverständnis, meint Giacomo.
Sogar Soldani meldet sich und macht Ansprüche erstens wegen der Margherita da Cortona , zweitens wegen der Conchita geltend, beides Stoffe, die ihn Jahre harter Arbeit gekostet hätten. Puccini hält das alles für Mist und beklagt sich in Briefen, arbeitslos zu sein, bar jeder ernstzunehmenden Unterstützung. Nach einem Treffen mit den Ricordis in Mailand feiert sogar die Idee der Maria Antonietta eine Wiederauferstehung, als großer Monolog der eingekerkerten Königin. L’Austriaca – Die Österreicherin – soll das Stück nun heißen, drei relativ kurze Bilder: Gefängnis, Gerichtsverhandlung, Exekution. Illica wird mit dem Text beauftragt. Puccini ist von der Idee so angetan, daß er erstmals seit drei Jahren wieder komponiert, gleichsam ins Blaue hinein. All jene Noten, die nun noch der letzten französischen Königin gelten, verwendet er später in der Fanciulla del West , ein Umzug, der staunenswert problemlos verlaufen wird.
Doria fragt ihn in einem ruhigen Moment, ob er nun einen neuen Stoff habe, sie freue sich so sehr darauf, ihm wieder beim Arbeiten zuhören zu dürfen. Naja, antwortet Giacomo, er denke schon, aber sowie er das sagt, merkt er, daß dem nicht so ist. Sie solle ihn in Ruhe lassen, herrscht er Doria an, alle wollten ihn festnageln, er sei doch nicht
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