Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)
verkaufen.
Er wolle, flüstert er charmant, sie weder für blöd noch für teuer Geld je verkaufen, sie sei nun einmal die einzige Bewohnerin auf Lebenszeit in seinem Herzen, und er hoffe, sie habe es dort so gemütlich wie möglich. Er setzt auf eine neue Strategie, der Erfolg gibt ihm vorläufig recht, Elvira beruhigt sich wieder. Hier, in der Fremde, auf einer Arbeitsreise, möchte sie ihm – wenigstens in der Öffentlichkeit – keine Szenen machen, sie leidet schon genug darunter, die angemessene Gattin an seiner Seite spielen zu müssen, ständig in Angst, neben ihm plump zu wirken. Manchmal denkt sie an die Heirat wie an einen begangenen Fehler zurück, gesteht ein, daß es für Giacomo vielleicht besser gewesen wäre, man hätte sich beizeiten getrennt. Im nächsten Moment ist sie dann wieder überzeugt, aus ihrer Sicht das Richtige getan zu haben.
Keine Frau, kein menschliches Wesen könne, schreibt sie ihrem Schwager Beppe, einem Künstler zuliebe sich selbst auslöschen, das sei zuviel verlangt und würde im Endeffekt nur den Künstler herabwürdigen, der es offenbar über zwanzig Jahre mit der Falschen ausgehalten habe. Es würde bedeuten, den Künstler als Idioten zu deklarieren. Nein, Giacomo habe an ihr schon das, was er brauche, er müsse es nur stets neu begreifen und einsehen.
Jetzt, wo er langsam alt werde, schließt sie den Brief, sei es begreiflich, wenn er dem entschwindenden Leben nachjage, in Form von glatter Haut und frischem Fleisch, es sei an ihr, ihm begreiflich zu machen, daß er nur einer Illusion nachjage, in Wahrheit nicht jage – sondern fliehe, vor dem Tod – wie alles Sterbliche auf Erden.
Den Ring darf Lina Cavalieri natürlich nicht behalten. Puccini muß sie darum bitten, ihn zurückzugeben, es tue ihm furchtbar leid, aber höhere Gewalt – Lina versteht und macht kein Aufhebens deswegen. Giacomo jedoch leidet so sehr unter seiner gekränkten männlichen Eitelkeit, daß er die Geschichte erst ein Jahrzehnt später zugibt. Seine Abenteuer umweht fortan immer öfter der Impetus, Rache zu nehmen für die ehelichen Observierungen.
Nach der so geglückten Manon Lescaut kommt es am 22. Januar zu einer zweiten Sensation, diesmal einer grundnegativen.
Strauss’ Salome wird gezeigt und zieht im prüden Amerika einen solchen Skandal nach sich, daß die Oper nach der ersten Vorstellung abgesetzt werden muß. Puccini kann keine Häme nachgesagt werden, im Gegenteil, er ist entsetzt und peinlich berührt. Auch für ihn hat der Skandal ja Konsequenzen. An jenem Abend stirbt ein für allemal die Conchita , denn ein solcher Stoff würde hier ebensowenig geduldet werden wie die Salome , und Puccini möchte auf die unbegrenzten Einnahmemöglichkeiten, die sich ihm in diesem Land aufgetan haben, nicht mehr ohne triftigen Grund verzichten.
In den folgenden Tagen sieht er das neue Stück Belascos, The Girl of the Golden West , das ihm vom Marchese Antinori empfohlen wurde. Ein großer Publikumserfolg im leichten Fach. Es geht um rührselige Goldgräber, einen verruchten Liebhaber, einen eifersüchtigen Sheriff, um Bibelstunden, um Pokerpartien und viel Pistolengeknalle samt Rettung des zwiespältigen Helden vom Galgen herab durch die charakterstarke Protagonistin Minnie, die die beraubten Goldgräber durch eine Predigt über die christliche Kernidee der Vergebung noch einmal beschwichtigen kann.
Entgegen der Legendenbildung steht Puccini dem Stoff erst einmal zweifelnd gegenüber, hält ihn aber für nicht völlig unmöglich, er muß das ›unerhört Neue‹ erst einmal verdauen. Von den dramatischen Grundzügen her, das begreift er sofort, ist das Stück wie für ihn gemacht, wenn auch von eher revuehaftem Niveau. An Sybil schreibt er, es sei ein geschmackloser Mischmasch, eine wüste Kolportage, enthalte aber etliche Szenen von Wirkung.
GP an Sybil, 3. Februar 1907
Wir sind mitten in den Einzelproben zur Butterfly (…) die nicht besonders gut laufen, halb wegen des schwachen Dirigenten (Vigna), halb weil es der Farrar an Souplesse mangelt. Ich bin halb tot. Ich bin dieses Lebens so müde: Ich mußte, was das Musikalische betrifft, die Hälfte der Mise-en-Scène selbst übernehmen, und meine Nerven liegen blank! Wie ich mich nach ein wenig Ruhe sehne. Glauben Sie mir, um dieses Leben ist man nicht zu beneiden. (…)
Elvira an Sybil, ca. 3. Februar 1907
(…) Mein Mann ist schlimm wie ein Ungeheuer, aber das liegt vor allem an der physischen Erschöpfung durch die Probenarbeit.
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