Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)
willst, wir machen es jede Nacht fünfmal, in jeder Stellung, sogar ihre Kinder sind in Wahrheit von mir. Zufrieden?
Am nächsten Tag trifft Illicas Libretto zur Austriaca ein. Puccini liest es übernächtigt, in denkbar schlechter Laune, und nennt alles irgendwie zu saftlos, zu lakonisch, was heißen soll, ohne Giacosa fielen Illica nicht genug glutvolle Verse ein, und in beleidigender Weise schlägt er ihm vor, doch einen Co-Autor zu beschäftigen, was Illica prompt zurückweist. Es sei wohl eher so, daß Puccini einen guten Musiker als Mitarbeiter benötige, einen, der komponiere, damit der Meister seine Zeit weiter damit ausfüllen könne, sinnvolle Beiträge schlechtzureden.
Der Bruch ist da und unheilbar. Binnen weniger Wochen ist die Austriaca tot und begraben und Giulio Ricordi wieder einmal entsetzt über Puccinis leichtfertigen Umgang mit Hilfskräften, die sich in der Vergangenheit doch sehr bewährt hätten.
Puccini ignoriert seinen Verleger und reist nach Wien, wo an der Hofoper die Butterfly gegeben wird, am 31. Oktober, mit glänzendem Erfolg. Gustav Mahler hat ein paar Wochen zuvor die Direktion aufgegeben und eine Konzertreise nach Rußland angetreten. Damit, endlich, so scheint es, ist für Puccini der Weg an Europas wichtigstes Opernhaus frei geworden. Und das Wiener Publikum bejubelt den zuvor dort mit Verachtung gestraften Komponisten, was einige Zeitungen als Demonstration gegen Mahlers Kunstauffassung werten.
Die Wahrheit sieht anders aus. Mahler hat natürlich noch selbst das Werk bestellt, von dessen Qualitäten durchaus überzeugt.
Das zu Ende gehende Jahr ist Puccinis finanziell erfolgreichstes, mit über fünfhundert Vorstellungen in aller Welt. Zangarinis Libretto läßt auf sich warten, immerhin gibt es ausgearbeitete Szenen zum ersten Akt, an denen Puccini arbeiten kann. Das aus der ersten Begegnung mit Sybil gewonnene Thema wird ins Vorspiel eingewebt, Giacomo ist bester Dinge. Das Girl könne eine zweite Bohème werden, findet er euphorisch. Die Ideen sprudeln, dieser erste Akt birst geradezu vor Esprit. Auch instrumentatorisch erreicht seine Musik, wenn auch mit knapper Not, die Höhe ihrer Zeit (von Webern wird später euphorisch an Schönberg schreiben, es sei kein Gramm Kitsch daran zu finden). Einem Freund schreibt Giacomo beschwichtigend, im Orchester würden sich die krassen Dissonanzen, die diesen im Klavierauszug so erschreckt hätten, abmildern. Zwar wagt Puccini nicht, den Weg zu gehen, den Strauss gewählt hat, den der stets respektvoll beobachtete Strawinsky bald wählen wird, aber immerhin geht er an die Grenzen seines eigenen tonalen Verständnisses. Er ist sich der Moderne bewußt, gliedert sie zaghaft ins eigene Werk ein, ohne den Bruch mit seinem Publikum wirklich zu riskieren.
Jetzt sei es soweit, teilt er Doria mit. Heißen Kaffee müsse sie ihm bringen zur Mitternacht, die lange Dürre gehe zu Ende. Er sei voll Feuer und schmiede ein Eisen, wie die Welt es noch nicht gesehen, vielmehr gehört habe. Doria bringt ihm heißen Kaffee und ist glücklich. Als er ihr am Klavier die Heimweh-Melodie des Goldgräbers vorspielt, bricht sie vor Rührung in Tränen aus, benutzt beide Hände, um ihr Gesicht darin zu verbergen.
Das ist gut, nicht?
Doria nickt.
Giacomo hat die junge Frau seit jeher gemocht, und wenn er auf ihr Urteil auch nichts gibt, vernünftigerweise nichts geben darf, dient es ihm doch als erster Gradmesser, der ihn selten enttäuscht.
Befreit von etlichen Dämonen der künstlerischen Impotenz, weint er eine Strecke mit Doria mit, doch so, daß sie davon nichts wahrnimmt. Still in sich hinein weint er, spielt mit viel Pedal das Vorspiel der Oper und denkt an Sybil.
Hast du schon einmal Champagner getrunken?
Doria schüttelt den Kopf.
Hol welchen im Keller. Öffne ihn, kredenz ihn mir!
Wirklich?
Bitte wann, wenn nicht jetzt? Geh! Na los!
Doria schleicht sich in den Keller, holt eine Flasche Champagner und zwei Gläser, muß dann noch in die Küche, es fehlt ein Korkenzieher. Als sie damit ins Arbeitszimmer eintritt, tänzelt Giacomo, greift sie um die Hüfte, sie tanzen, ein zauberhaft ungewohnter Moment, ungehörig, verwirrend, das Mädchen fragt sich, ob sie darf, was sie tut? Zugleich zerspringt sie vor Glück, den Mann, den sie anhimmelt, für den sie keinen anderen je angesehen hat, so unbeschwert vor sich zu sehen, nie hat sie getanzt, niemals – und nun mit ihm . Giacomo setzt sie auf dem Kanapee ab, eilt zum Klavier, improvisiert
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