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Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Titel: Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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worden war, kann er nun das 3. Semester besuchen. In seiner freien Zeit muss er sich aber fleißig auf die zu wiederholende Vorprüfung vorbereiten.
    Ihr Sohn wird, wenn er die vorhandenen Lücken ausfüllen und im 3. Semester mit fortkommen will, nun bedeutend fleißiger sein und den Unterricht regelmäßig besuchen müssen, da sonst ein gutes Resultat nicht erhofft werden kann.
    Hochachtungsvoll
    Die Direktion.
    I.V.: Keßler
    HANDSCHRIFTLICH ERGÄNZTES
MASCHINENSCHRIFTLICHES FORMULAR
DES TECHNIKUMS MITTWEIDA
    Herr Puccini, Anton hat die Vorprüfung nicht bestanden. Falls die spätere Erwerbung des Hauptprüfungszeugnisses beabsichtigt wird, ist nochmalige Ablegung der ganzen Vorprüfung im Dezbr. 07 Bedingung .
    Wird die Ablegung dieser Prüfung beabsichtigt?
    Währenddessen fühlt sich Sybil endlich nützlich, sie soll Belascos Vorlage ins Italienische übersetzen und wurde darüber hinaus gebeten, dem Maestro neue und ältere amerikanische Musik zu besorgen. Mit Eifer widmet sie sich ihrer Aufgabe und schickt einige ›Indianerlieder‹, erst per Post, dann als Kurier in Person, die Seligmans kommen nämlich (im August) schon wieder zu Besuch. Nach außen hin freut sich Puccini, im Kopf hat er nichts anderes als das Girl , das ihm noch stark veränderungsbedürftig erscheint.
    Erneut macht man einen Ausflug nach Abetone, um der lavli hit , wie Puccini Sybil zitiert, zu entgehen. Doria begleitet die Puccinis und die Seligmans, ein bestellter Fotograf macht einige Weitwinkelbilder, auf denen Doria wie selbstverständlich zwischen Fosca, deren Gatten Toto Leonardi und den Engländern sitzt und in die Kamera lächelt. Sie hat gelernt, sich etwas geschmackvoller zu kleiden, bevorzugt schwarz, und während ihr Gesicht ein wenig breit, nicht gerade hübsch wirkt, zeigt die Silhouette ihrer Gestalt eine schlanke, perfekt taillierte Figur.
    Elvira kümmert sich rührend um die Gäste, während ihr Gatte mit Zangarini verhandelt . Es bedeutet, er diktiert ihm peinlich genau, was er schreiben soll. Diskussionen sind zwecklos. Der noch junge, an Illusionen reiche Zangarini wehrt sich, droht sogar mit Anwälten – und erfährt schmerzhaft, wo ihm das Leben einen Platz zugewiesen hat.
    Das neue Automobil trifft aus Paris ein, hat aber noch keine amtliche Zulassung. Giacomo wagt es ausnahmsweise nachts zu benutzen, für ein paar lokale Ausflüge mit Sybil. Elvira sieht sich währenddessen in der Pflicht, den gelangweilten, leicht säuerlichen David unterhalten zu müssen. Erneut kommen ihr Zweifel, ob da nicht doch, wie in einer doppelbödigen venezianischen Komödie, hinter den Kulissen etwas vor sich geht, das sie nun auch noch aktiv unterstützt. Tatsächlich redet Giacomo in diffus gehaltenen Briefen an Freunde von der Nacht, die für Geheimnisse und Verbrechen gemacht sei. Er spielt, ohne Sybils Wissen, ihren verruchten Liebhaber, oder möchte wenigstens die Tür für Spekulationen offenhalten. Möchte als das verdächtigt werden, was er zu sein vergeblich ersehnt. In der Realität kommt es nur zu ein paar Umarmungen, scheuen Küssen.
    Adorata mia! Meine Angebetete! lautet eine seiner brieflichen Grußformeln.
    Der Dampf aus der Gerüchteküche weht bald, diverse Umwege benutzend, Elvira ums Haupt; die bis dahin herzliche Atmosphäre kühlt ab. Die Seligmans bekommen zwar nicht direkt etwas mit von dem sich zusammenbrauenden Gewitter, spüren aber, daß etwas nicht in Ordnung sein muß, und reisen nach London zurück, bevor ein böses Wort das scheinbare Idyll zerstört. Giacomo schwört beim Grab seiner Mutter, daß nichts passiert sei, und bestreitet sogar, daß Sybil eine erotische Anziehung auf ihn ausübe. Elvira gibt sich, auch sie will einmal etwas Neues ausprobieren, verständnisvoll und hofft besorgt, daß Sybil nicht schwanger von ihm werde. Giacomo lacht und meint, das sei absurd, sei in der Menschheitsgeschichte erst einmal vorgekommen, und wenn es Gott einfallen sollte, ein zweites Kind mit einer Sterblichen zu zeugen, würde selbst er sich mit Sybil schwertun.
    Du leugnest es also nicht?
    Was?
    Daß du es probiert hast.
    Lächerlich, entgegnet Giacomo. Sybil sei das Gegenteil eines sexuellen Wesens.
    Woher weißt du das denn? Du scheinst es ja ziemlich sicher zu wissen.
    Ihre brüchig blecherne, immer etwas heiser wirkende Stimme hebt sich mit jedem Wort um mehrere Dezibel. Giacomo erkennt noch nicht den Ernst der Lage, gießt Öl ins Feuer, indem er herumalbert.
    Na gut, wenn du es partout wissen

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