Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)
über ein eben erfundenes Thema.
Ist das gut? Sag die Wahrheit!
Das ist wunderschön.
Ach ja. Das ist die Wahrheit! Ich bin wieder am Leben!
Er nötigt Doria, ein Glas Champagner zu trinken, ihr erstes, sie ziert sich. Keine Widerrede.
Wenn der Champagner auch nicht die passende Temperatur hat, möchte Giacomo doch feiern. Es ist ihm so wichtig, er drückt Doria einen Kuß auf die Stirn und stürzt zum Klavier zurück, hat eine neue Idee, verwandelt sie in Töne, ist ein nimmer versiegender Geysir an Ideen, alles Warten hat sich – endlich – gelohnt, er schreit auf, hämmert auf die Tasten ein, da ist es endlich wieder, das Gefühl, mit den Göttern auf Augenhöhe etwas zu schaffen, mit deren Einverständnis etwas Heiliges zu zelebrieren, der Funke hat ihn nicht verlassen, ist zurückgekehrt, ekstatisch weidet er die so lange brachliegenden Felder ab, gierig, hungrig; nichts Niederes spielt nun noch eine Rolle, der Rest ist sakral und kaum einem glorreichen Feldzug vergleichbar, so was wird nur mit sich selbst und denen abgemacht, die den Auftrag gaben, den toten Vorkämpfern irgendwo weit weg, wo sie immer noch auf ihre Rückkehr hoffen in die Welt der Lebenden.
Soll ich die Kerzen wechseln?
Giacomo, mehr von seiner Auferstehung betrunken als vom Champagner, winkt sein Einverständnis. Er hat an sich selbst genug für den Moment. So muß das Leben sein. Müßte es. Immer. Sein. Alles andere ist schnöde Verwaltung. So war es, als er Le Villi schrieb, und die Manon . Und die Bohème . Als er jung war und in vollem Saft.
Eingeflüstert von den Göttern, mußte er nichts weiter tun, als deren Stimmen zu hören und zu notieren.
So muß es sein, flüstert er, hat man das einmal gehabt, stirbt es sich leicht.
Er spielt die ganze Nacht. Doria wechselt nicht nur die beiden Kerzen über dem Klavier, sie reicht Giacomo auch jeweils eine neue Zigarette, wenn die alte heruntergebrannt ist. Aber gegen vier Uhr legt auch sie sich schlafen, was Giacomo erst bemerkt, als ihm keine neue Zigarette gereicht wird.
Doria ist schlafen gegangen, seltsam. Warum?
Eine Anekdote erzählt, daß Elvira ihn oft dazu angehalten hat, weniger zu rauchen. Einmal soll sie 83 Zigarettenstummel des vergangenen Tages akribisch in einer Reihe auf seinem Schreibtisch plaziert und mit roter Tinte auf einen Zettel 83 ! geschrieben haben. Er habe nur geantwortet, ohne zu rauchen könne er nicht arbeiten, basta. Dasselbe wird er auch den Ärzten sagen, die ihm aufgrund seiner Halsschmerzen raten, den Nikotinkonsum einzuschränken.
Zangarini schickt den fehlenden dritten Akt, mit allen ihm befohlenen Verbesserungen, Puccini ist leidlich zufrieden, besteht aber auf einem weiteren Autor, der den Szenen den letzten Pfiff geben soll. Zangarini weigert sich lautstark, aber was kann er vorbringen außer sinnloser Lautstärke? Puccini setzt sich durch, indem er ihm Ricordis Anwälte vorbeischickt, munitioniert mit einigen sehr klaren Worten. Zangarini kapituliert, und der fünfunddreißig Jahre alte Guelfo Civinini wird beauftragt, den Text zu trimmen, kürzer und klarer zu gestalten, spritziger. Obgleich seine Arbeit kaum ein Zehntel dessen ausmacht, was Zangarini geleistet hat, wird die Oper künftig als von beiden geschrieben gelten, wobei Civininis Name sogar, der alphabetischen Reihenfolge wegen, zuerst genannt wird. Zangarini schreibt in einem Brief, er fühle sich vom Schicksal verarscht, im nächsten Leben möchte er Aaron heißen, im Nach- wie im Vornamen. Giacomo macht sich über solch kleinliche Verletztheiten lustig, das sei typisch für junge Künstler, sie verschwendeten ihre Zeit mit Äußerlichem, wo sie doch jede Sekunde dafür nutzen sollten, dem Innersten der Kunst nahezukommen, nur dort warte der Thron. Zwar meint er es zur Hälfte selbstironisch, aber nicht jeder Adressat dürfte die passende Antenne besessen haben, die Ironie als solche wahrzunehmen.
Weihnachten feiert die Familie wieder in Mailand. Giacomo sendet diesmal allen Hausangestellten Postkarten mit Grüßen für ein glückliches Jahr
1908
nur Doria sendet er darüber hinaus einen Brief mit einem Fünfzig-Lire-Schein, sie solle sich bitte bald, sofern es die Arbeit erlaube, diese Stadt ansehen, solle den Zug zweiter Klasse nehmen und ein passables Hotel, es sei ihm ein Herzenswunsch. Schönes neues Jahr!
Keinen Moment denkt er daran, wie seine gütige Geste wirken muß. Alle Bediensteten bekommen eine Postkarte, nur Doria einen Brief . Sogar, wie sie schlecht
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