Die Klimaprioritaeten
genauso zügellos nutzen wie die alten Industrieländer, gefährdet es einen Großteil seiner Modernisierungserfolge der vergangenen Jahrzehnte. Und sie weiß, das Chinas Energieeffizienz im internationalen Vergleich miserabel ist. Um einen US-Dollar Bruttosozialprodukt zu produzieren, braucht die chinesische Wirtschaft 3,5-mal so viel Energie wie der weltweite Durchschnitt. Doch mit dem Verschwenden von Ressourcen soll nach dem Willen der Regierung Schluss sein. Schon bis 2010 will man die Energieeffizienz um 20 Prozent erhöhen.
Geht es in China um Energie und Kohle, kollidieren, wie in vielen anderen Bereichen auch, zwei Welten: die maroden, dreckigen Fabriken ohne jegliche Standards – und Kraftwerke, die so auch in Deutschland stehen könnten.
China kann, wenn es will. Es nutzte die Olympiade, um sich als Land der Supermoderne zu präsentieren. Es feierte eine Show der Hochtechnologien, errichtete ein futuristisches Stadium, das Regenwasser sammelt, um den Rasen zu wässern, pflanzte Millionen Bäume, bestückte das Olympische Dorf mit Solarzellen, schickte 3 000 Elektrobusse auf die Straßen und installierte am berüchtigten Platz des Himmlischen Friedens nur noch Energiesparlampen. Die Stadtverwaltung von Peking war und ist ernsthaft bemüht, die vielen kleinen aus Maos Zeiten stammenden Kohleöfen und Gießereien zu schließen und durch neue zu ersetzen, die über eine Abgasreinigung nach europäischem |44| Vorbild verfügen. Doch wann immer in der Hauptstadt die industriellen Methusaleme dicht machen müssen, rollen ihnen andere Provinzen den roten Teppich aus – so viel zur Macht des chinesischen Zentralismus. 70 Prozent der Luftverschmutzung in Peking stammt mittlerweile von Fabriken außerhalb der Stadtregion, fanden amerikanische Forscher jüngst heraus.
Überall im Reich der Mitte werden Kraftwerke hochgezogen, deren Turbinen, Generatoren und Abgasfilter zum Modernsten gehören, was es derzeit auf dem Markt gibt. Zouxian, das zweitgrößte Kohlekraftwerk in China, betrieben von Huadian Power, und Waigaoquiao bei Shanghai mit Siemens-Technik sind zwei Beispiele. Ausländische Partner wie die deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) vermitteln chinesischen Kraftwerksbetreibern deutsches Know-how und leisten dabei Exportschützenhilfe für Siemens, Evonik und Co. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, hoffen Optimisten, könnte der Kohleanteil an der Stromproduktion in China bis 2020 von heute 71 auf dann 60 Prozent sinken.
»Der Wechsel zu sauberer und umweltfreundlicher Kohle ist unvermeidbar, der Schlüssel dazu ist Technologietransfer«, erklärt Jun Ying, Journalist und Bürochef des Magazins New Energy Finance in Peking. Das sei in den Köpfen der Regierung und Parteifunktionäre längst angekommen. Sie würden die großen Energieversorger drängen, ihre alten Drecksschleudern durch moderne Kraftwerke zu ersetzen. »Für jedes neu gebaute Kohlekraftwerk müssen mehrere alte stillgelegt werden.« Ein Gesetz verlange zudem, dass alle neuen Kraftwerke mit
Entschwefelungstechnik
und Abgaswäsche ausgestattet seien.
Jun Ying spricht fließend Englisch, hat lange in London gelebt und kehrte vor zwei Jahren wie so viele Glücksritter wieder nach Peking zurück. »Energieeffizienz, erneuerbare Energien und sauberere Kohle – das sind die Top-Themen hier.«
|45| Dabei ginge es bei Kohle erstmal überhaupt nicht darum, übermorgen die CCS-Technologie einzuführen. Hätten chinesische Kraftwerke moderne Standards und einen höheren Wirkungsgrad, würde man nicht nur eine Unmenge Kohlendioxid einsparen. Den Smog wäre man auch los, Ressourcen würden geschont und Geld gespart. Wird zum Beispiel der Wirkungsgrad eines 500-Megawatt-Kohlekraftwerks auch nur um 1 Prozent gesteigert, werden 60 Tonnen Schwefeldioxid, 100 Tonnen Stickoxide und 35 000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr weniger in die Luft geblasen.
China müsse sich rasch an europäische Kraftwerksstandards heranarbeiten, meint Jun Ying. Das geht damit los, dass Kohle vor dem Verbrennen gewaschen werden müsste. In
Industrieländern
werde Kohle zum Teil zu 100 Prozent gewaschen, in China sind es nur 33 Prozent. Kohle mit niedriger Qualität sollte zudem zu Briketts gepresst werden, damit ließe sich der Wirkungsgrad spürbar erhöhen. In Sachen Kohleverbrennung setze China immer mehr auf die sogenannte »
Ultra-Supercritical-Technology
«, bei der Kohle mit höherem Dampf und höheren Temperaturen verfeuert wird, wobei weniger
Weitere Kostenlose Bücher