Die Klimaprioritaeten
entweicht. Indonesien wurde allein dadurch weltweit die Nummer drei der Treibhausgasproduzenten. Alle Fortschritte, Kohlendioxidemissionen in der Energie- und Transportwirtschaft zu reduzieren, werden durch den Kahlschlag der Tropenwälder wieder zunichte gemacht. Ist der Wald weg, löst dies dramatische ökologische und klimatische
Kettenreaktionen
aus.
Ohne Waldschutz wird Klimaschutz nicht gelingen. Der Ökonom Nicholas Stern hat Ende 2006 in seinem Bericht an die britische Regierung vorgerechnet, dass Waldschutz einer der effektivsten und billigsten Wege ist, das Klima zu stabilisieren. Leider, und das sagte er nicht so deutlich, auch einer der
kompliziertesten
. Wie der Schutz der Tropenwälder dennoch gelingen kann, beschreibt das Kapitel »Waldschutz ist Klimaschutz«.
Beides, Waldschutz und Kohle, ist umstritten.
Energiegewinnung
aus Kohle gilt Umweltschützern als Teufelszeug, das lieber heute als morgen abgeschafft gehört. Woher so schnell der Ersatz kommen soll, zumal auch gefordert wird, die Atommeiler vom Netz zu nehmen, sagen sie nicht. Wird
Industrieunternehmen
in reichen Ländern erlaubt, im Emissionshandel
Emissionsgutschriften
aus Waldschutzprojekten zu erwerben, kauften sie sich aus ihrer Verantwortung im Heimatland frei, so das Argument der Klimabewegten. Außerdem sei das Einbeziehen von Wäldern in den Emissionshandel ein Ablenkungsmanöver von den wirklichen Verursachern in den Industriestaaten.
Gewiss, Wälder schützen ist eine komplizierte Sache, weil die Gründe ihres Verschwindens, wie noch gezeigt wird, so mannigfaltig sind. Doch selten war die Chance hierfür so groß wie heute – dank Emissionshandel, Klimaschutzmarkt, neuer Bemühungen, dem Wald endlich einen realen ökonomischen |13| Wert beizumessen, und dem wachsenden Interesse von Investoren. Privatwirtschaftliches Engagement kann helfen, den Raubbau an den tropischen Wäldern zu stoppen. Mit Ideologie ist dem Klimaschutz nicht geholfen.
Kohle und Wälder sind weltweit die wichtigsten
Emissionsquellen
. Beide Faktoren zeigen überdies vielleicht am deutlichsten das Spannungsverhältnis zwischen Klimaschutz, Entwicklung und Energiesicherheit. Für viele Schwellen- und Entwicklungsländer ist Kohle der Schmierstoff ihrer Modernisierung – eine billige, verfügbare Ressource, die noch Jahrzehnte den steigenden Energiebedarf decken kann, ohne abhängig von anderen zu machen. Ob es uns gefällt oder nicht, diese Länder werden sich von uns die Kohle nicht ausreden lassen. Es kommt darauf an, ihnen klimaschonende Technik schmackhaft zu machen. Ob und wie dies gelingen kann, zeigt auch dieses Buch.
Es geht in diesem Buch nicht um Erdöl und erneuerbare Energien. Erdöl spielt bei der Stromerzeugung kaum eine Rolle, sondern beheizt Häuser und betankt Autos. Energieeffizienz, neue Kraftstoffe und der Wechsel zu Erdgas können unseren Öldurst verringern helfen. Und Wind, Sonne, Biomasse und Erdwärme finden wir sowieso alle prima.
Es geht in diesem Buch jedoch um nachwachsende Rohstoffe zur Herstellung von Biodiesel und Bioethanol. Viele tropische Wälder müssen weichen für Sojapflanzen, Zuckerrohr und Ölpalmen, aus denen Treibstoff für Automotoren gewonnen wird. Soja und Palmöl gehören jedoch in die Küche, nicht in den Tank – so die Erkenntnis einer wachsenden Front von Kritikern. Es mache wirtschaftlich und ökologisch langfristig keinen Sinn, Nahrungsmittel, vor allem in Zeiten zunehmender Knappheit, für den automobilen way of life zu verschwenden. »Ökologischen Wahnsinn«, nennt dies Nestlé-Chef Peter Brabeck-Lemathe. Wie genau das Thema Biokraftstoffe mit Entwaldung und |14| teureren Lebensmitteln zusammenhängt, und welche klima- und umweltschonenden Alternativen es gibt, wird im Kapitel »Biosprit: Gut gemeint ist noch nicht gut gemacht« dargestellt.
Biokraftstoffe liefern ein Beispiel für die Komplexität globaler Wirtschaft und moderner Gesellschaft, dafür, dass man an einer Schraube drehen kann und ungewollt andere Hebel in Bewegung setzt. Und dafür, wie schwierig es ist, Lösungen zu finden, die Ökologie und Ökonomie versöhnen. Die Transformation von einer klimaschädlichen zu einer
klimafreundlichen
Gesellschaft wird daher langsam und graduell sein. Die Hoffnung auf einen raschen dramatischen Wandel ist trügerisch. Ebenso auf schnelle technische Lösungen. Autos, Häuser, Fabriken, Energienetze, Produktionsabläufe zu verändern, dauert lange. Ganz abgesehen von liebgewordenen Gewohnheiten.
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