Die Klimaprioritaeten
umweltfreundliche
Technologien und Projekte sind das schnellst wachsende Segment der Finanzdienstleistungen. Die Aktienkurse börsennotierter Umwelttechnologiefirmen steigen rasant. Keine Woche vergeht, in der nicht neue Investmentfonds für den Klimaschutz |17| aufgelegt werden. Die City of London hat sich in wenigen Jahren zum weltweit wichtigsten Finanzplatz für
Umweltinvestitionen
gemausert. Die Klimaschützer von heute tragen Nadelstreifen.
Der Markt für Kohlendioxidemissionsrechte und
Klimaschutzprojekte
betrug 2007 etwa 64 Milliarden US-Dollar. In den nächsten zehn Jahren soll er auf eine Billion US-Dollar steigen. Ein neuer Goldrausch. »Klimaschutz rechnet sich«, meint Kenneth Arrow, Nobelpreisträger für Wirtschaft. Denn die Kosten für Klimaschutz sind geringer als die Kosten für Nichtstun. Der Nutzen besteht in vermiedenen Schäden.
Es gilt also: Klima- und Umweltschutz kosten viel Geld. Aber mit Klimaschutz lässt sich auch viel Geld verdienen. Dies wird auch das Kapitel »Wandel durch Handel« zeigen.
Doch reichen all die Milliarden und Investitionen, um die weitere Erderwärmung aufzuhalten? Wäre die Welt ein Land, müssten wir die Treibhausgasemissionen bis 2050 um die Hälfte senken gegenüber 1990. Die Welt besteht jedoch aus 194 Ländern. Um dramatische Auswirkungen zu vermeiden, schätzt der IPCC, müssen Industriestaaten ihre Emissionen um 80 Prozent senken, davon 30 Prozent bereits bis 2020. Die Emissionen von Schwellen- und Entwicklungsländern müssen 2020 ihren Scheitelpunkt erreichen und dann bis zum Jahr 2050 um 20 Prozent sinken – eine Utopie, legt man die gegenwärtigen Trends bei Emissionen und Energienachfrage zugrunde. Klimaschutz bedeutet daher auch, sich auf eine verändernde Welt einzustellen.
Darum geht es beim Klimaschutz um neue Pflanzensorten, die widerstandsfähiger gegen Trockenheit sind, effizientere
Bewässerungstechniken
in der Landwirtschaft, den Kampf gegen sich ausbreitende Krankheiten. Es geht darum, Küsten gegen den steigenden Meeresspiegel zu wappnen und die Versorgung mit Trinkwasser zu sichern. Es geht darum, Infrastrukturen robuster |18| gegen Stürme und Fluten zu machen. Dieses Buch zeigt Anpassungswege – im Kapitel »Die Zukunft: Trocken legen und leben«.
Prioritäten setzen, um das Klima zu stabilisieren, und sich an die unabwendbaren Konsequenzen des Klimawandels anpassen – das ist das zentrale Thema dieses Buches. Und die Frage, welche Rolle dabei Politik und Kapital spielen.
Klimawandel ist eine globale Herausforderung. Deshalb verlangt er den Brückenschlag. Zwischen alten und neuen
Emissionsweltmeistern
wie den USA und China. Zwischen alten Anpassungskünstlern wie den Niederlanden und neuen Leidtragenden wie Indien. Zwischen Industriestaaten, die aufgrund ihres historischen Modernisierungsvorsprungs in Vorleistung treten müssen und Entwicklungsländern, die dann auch zu folgen bereit sind.
Wer Klimaschutz ernst nehmen will, muss immer wieder die Perspektive ändern. Muss durch die Brille der anderen schauen, der Indonesier und Inder. Muss dorthin reisen, wo schon heute das Wetter tödlich verrückt spielt, wo Kuhdung den Herd befeuert, wo sauberes Wasser ein kostbares Gut ist, wo ein gefällter Baum überleben hilft, wo Kohle die Luft vergiftet, aber Verheißung auf ein besseres Leben bedeutet.
Klimaschutz verlangt nichts weniger als einen
Paradigmenwechsel
im System Kapitalismus: den Aufbau nachhaltiger Produktionsprozesse, das Internalisieren externer Effekte, wie es die Ökonomen nennen, und »EcoSecuritisation«, neue Wege, natürliche Ressourcen schonend und effizient zu nutzen.
Der Anfang ist gemacht.
*
Dieses Buch ist eine Reise. Sie führt zu Brennpunkten des Klimawandels: nach Indien, Südostasien, China, in die USA und |19| Niederlande. Ich bin hierfür mehrere Kilometer geflogen. Wäre ich mit dem Zug gefahren, hätte ich meinen Abgabetermin nicht einhalten können. Nächstes Mal mache ich es anders. Das diesmal verbrauchte Kohlendioxid wird durch ein Klimaprojekt ausgeglichen, das mithilft, ein kleines Biomassekraftwerk in einem Dorf in Brasilien zu finanzieren und dort den Regenwald zu erhalten. Immerhin.
Der überwiegende Teil der Informationen entstammt Interviews und Gesprächen. Wann immer auf andere Quellen verwiesen wird, lassen sich diese im Anhang wiederfinden. In der Welt von morgen, jener Welt, die Bundeskanzlerin Angela Merkel vorschwebt, wenn man denn ihre Vorschläge von
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