Die Klimaprioritaeten
Malaysia oder Südkorea kann Indonesien keine Hightech-Industrien vorweisen. Arbeitskräfte sind zudem in Vietnam und China billiger. Was der Fisch für Island, das Erdöl für Saudi-Arabien, ist der Wald für Indonesien.
Auch wenn der Emissionshandel einen Finanztransfer von Nord nach Süd stemmen kann, bleiben zwei zentrale Probleme bislang ungeklärt:
Der Klimaschutzmarkt interessiert sich für eingesparte Treibhausgase, für Kohlendioxid und Methan. Den komplexen ökonomischen und ökologischen Nutzen eines Waldes erfasst er nicht. Wasserhaushalt, Bodenschutz, Artenvielfalt und die unausgeschöpfte Verwendung von Pflanzen für die Medizin zum Beispiel, aber auch spirituelle und kulturelle Werte für Völker, die in Regenwaldgebieten leben. Dem versuchen andere neue Konzepte gerecht zu werden.
EcoSecuritisation
oder Community Biodiversity Funds, die mit
Klimaschutzprojekten
gekoppelt werden sollen (siehe das Kapitel »Wandel durch Handel«).
Wer erhält und besitzt am Ende eigentlich die Emissionsrechte? Bekommt jeder betroffene Bauer einen Scheck in den Hand gedrückt von Vattenfall, RWE oder einem
Klimaschutzfonds
? Wer sind die Geschäftspartner: Regierungen, Kommunen, staatlich-private Gesellschaften?
Diese Fragen gehören zu den Knackpunkten in den internationalen
Klimaschutzverhandlungen. Wie sicherstellen, dass das Geld auch wirklich bei denen ankommt, die dem Wald zu Leibe |78| rücken, dass es nicht in den maroden und korrupten Staatsunwesen versickert, dass nicht wieder der Bock zum Gärtner gemacht wird?
Die Weltbank ist einer der größten Käufer von
Emissionsgutschriften
aus Klimaschutzprojekten in
Entwicklungsländern
und zugleich seit langem im Waldschutz aktiv. Sie will, dass Waldschutz auf nationaler Ebene organisiert wird und die Emissionsrechte dann von den jeweiligen Regierungen gekauft werden. Der oft kritisierte »Top down«-Ansatz. Doch er wird mit Applaus bedacht von Tropenwaldländern wie Indonesien, Kongo und Papua-Neuguinea. Deren Regierungen wollen natürlich nicht, dass an ihnen vorbei Geschäfte gemacht werden, Gelder direkt in die Kommunen und nicht in ihre Staatskassen fließen, und sie somit ihrer Souveränität beraubt werden – in ihren Augen ist dies Neokolonialismus im Mantel des Umweltschutzes.
Ein Wortführer dieses Ressentiments ist Brasilien. Die Regierung steht der Idee von REDD enorm skeptisch gegenüber. Das Misstrauen speist sich aus der Sorge, dass die eigenen Wälder dann noch rascher von reichen Gutmenschen und
naturromantischen
Kapitalisten aus Industrieländern aufgekauft werden. Denn glaubt man den Informationen der heimischen Presse, befinden sich 55 Prozent der Wälder im brasilianischen Teil des Amazonasbeckens bereits in privater ausländischer Hand. So kaufte der Schwede Johan Eliasch, Chef des
Sportartikelproduzenten
Head, 162 000 Hektar Urwald für 10 Millionen Euro im Bundesstaat Amazonien und rät Gleichgesinnten, ihm nachzueifern. Die brasilianische Regierung sieht in solchen Umweltschützern, die riesige Waldareale zu Reservaten erklären und für jegliche Nutzung mehr oder weniger still legen, auch in der Hoffnung, demnächst Kapital aus den
Kohlendioxidspeichern
durch den Emissionshandel schlagen zu können, eher |79| eine Gefahr für den wirtschaftlichen Fortschritt des Landes denn willkommene Umweltengel. Obwohl natürlich die Frage bleibt, warum die Regierung, so besorgt über den Verlust ihrer nationalen Souveränität, den Waldverkauf überhaupt erst erlaubt hat – eine gängige Praxis, nicht nur in Brasilien, sondern auch den Nachbarstaaten, wo Großgrundbesitz immer noch die ländliche Wirtschaftsstruktur dominiert. Solche Widersprüche ficht die Regierung in Brasilia nicht an, und sie macht klar, dass ein zukünftiges REDD-Instrumentarium, wenn überhaupt, nur über die Schreibtische der Beamten in der Zentrale läuft.
Viele Forstfachleute haben jedoch genau bei diesem Zugang Bauchschmerzen, auch innerhalb der Weltbank. Wieder den überforderten Staaten überlassen, wie sie die Entwaldung stoppen wollen, sei potenziell zum Scheitern verurteilt.
Projektentwickler
, Experten, die seit Jahren mit Waldvorhaben in tropischen Ländern vor Ort vertraut sind, fordern stattdessen, auf kommunaler oder regionaler Ebene anzusetzen, um zu lernen, was das »Opportunitätskostenprinzip« konkret bedeutet. »In den meisten Ländern fehlt es schlicht an den
Grundvoraussetzungen
für eine nachhaltige Forstwirtschaft. Sie haben keine
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