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Die Klimaprioritaeten

Titel: Die Klimaprioritaeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Streck
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geringem Ertrag. Als erfolgversprechend gelten zum Beispiel veränderte Schilfgrasarten. Sie besitzen vorteilhafte Eigenschaften, wachsen schnell, auch auf trockenen Böden, und benötigen wenig Dünger. Die amerikanische Regierung finanziert derzeit mit
Millionen-Beträgen
die Schilfgras-Forschung. Dennoch sind Experten geteilter Meinung, ob diese Produktion von Bioethanol
energieeffizient
oder -ineffizient ist. Erste Versuche zeigen, dass der Energieeinsatz größer ist als der Energiegewinn. Optimisten glauben dennoch, dass sich diese Hindernisse im Labor überwinden lassen werden und sich in wenigen Jahren die Frage, ob Mais gegessen oder getankt wird, nicht mehr stellt.
    Die Frage allerdings, wo diese Biospritpflanzen der sogenannten zweiten oder dritten Generation wachsen sollen, muss dennoch beantwortet werden. Je besser neue Züchtungen auf nährstoffarmen und für Getreide ungeeigneten Böden wachsen, desto geringer ist der Druck auf fruchtbares Ackerland. Die Preisspirale könnte sich damit wieder abwärts drehen. Der Druck auf Ökosysteme könnte wieder abnehmen. Könnte.
    Doch in einer Welt, in der alles wächst, Bevölkerung,
Energienachfrage
, Nahrungsmittelbedarf, Autozahl und die asiatische Mittelschicht, lässt sich das Biokraftstoff-Dilemma nur |112| schwer lösen. »Langfristig können wir es uns nicht leisten, Biosprit zu produzieren, da die Land- und Wasserressourcen der Erde erschöpft sind«, glaubt Bioenergiefachmann Tad Patzek von der Berkeley University in Kalifornien. Wie man das allerdings Indonesien klar machen will, dass bis 2020 einen Anteil von 20 Prozent Biodiesel aus Palmöl an der
Gesamtkraftstoffmenge
erreichen will, ist unklar. Warum das Land einen nachwachsenden Rohstoff nicht als Erdölalternative nutzen soll, ist Indonesiern schwer zu vermitteln. Warum dort 3,5 Millionen neuer Arbeitsplätze in der Biodieselindustrie nicht geschaffen werden sollen, die Armut lindern und somit helfen, den Druck auf die Wälder zu vermindern, ist vom warmen Sofasessel in Europa auch nicht zu erklären.
    Es gibt wohl hier kein Entweder-oder. Das Problem sind nicht arme Länder wie Indien und Indonesien, die eine eigene
Bioenergiewirtschaft
aufbauen wollen. Das Problem ist der Energiehunger reicher und aufstrebender Industriestaaten. Drei Viertel der indonesischen Palmölproduktion wird nicht für den eigenen Bedarf genutzt, sondern exportiert. Ein wirksamer Hebel wäre, die Nachfrage aus den Industrieländern zu drosseln. Fahrrädern und Straßenbahnen gehören die Zukunft.
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    Kapitel 4 Die Zukunft: Trocken legen und leben
    »Unser weltweites Wassermanagement wird sich in den nächsten 20 Jahren mehr ändern als in den vergangenen 2 000 Jahren.«
    Asit Biswas, Direktor Third World Center for Water Management

    »Klimawandel ist nicht länger primär ein Umweltproblem. Es ist eine Angelegenheit von strategischer Bedeutung geworden, ein vorrangiges politisches Thema für jede Regierung auf der Welt.«
    Ban Ki-Moon, Generalsekretär der Vereinten Nationen
    Sie leben vor dem Deich. Auf der falschen Seite. Hinter ihnen liegt der vier Meter hohe Erdwall. Kommt die Flut, gibt es keinen Schutz. Sie haben auch keine Versicherung gegen Hochwasser. Die 36 Hausbesitzer fürchten dennoch nicht das Wasser. Sie leben in Häusern, die schwimmen können. Wohnort: Maasbommel, etwa 30 Kilometer westlich von Nijmegen in den Niederlanden, 52˚05′ nördlicher Breite, 5˚05′ östlicher Länge. Hier windet sich die Maas nur wenige Kilometer entfernt vom mächtigeren Rhein Richtung Nordsee, formt das Jahrhunderte lang gefürchtete und nun gebändigte Delta.
    Die Häuser sind aus Stahl und Holz. Mit geschwungenen Dächern, die an Fischrücken erinnern, und einer Terrasse zur Flussseite. Sie leuchten gelb, orange und grün in der seltenen holländischen Sonne. Das Fundament ist eine hohle Betonwanne, nicht im Erdreich verankert. Das Becken sitzt einfach auf dem Boden. Es ist an allen vier Ecken an Pfählen mit beweglichen Ringen vertäut. So kann das Haus auf- und abwärts gleiten, sich heben, sollte der Wasserspiegel steigen. Die Wasser- |114| und Abwasserleitungen, Strom- und Telefonkabel sind durch bewegliche Rohre verlegt. Bei Flut wird aus dem Haus ein Hausboot.
    Lisa Vansteenkiste gehörte zu den ersten Bewohnern. Sie und ihr Mann wollten aufs Land ziehen, irgendwo in Wassernähe. Beide lieben den Fluss, haben ein kleines Boot am Ufer liegen. Sie kann den ersten Sturm kaum erwarten. »Dann wollen

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